Dutzende Eisenleger in Genf warten seit Monaten auf ihre Löhne. Jetzt wurden mehrere Baustellen gesperrt. Und die Büezer gehen in die Offensive.
DUBIOSES TREIBEN: Die meisten grossen Baufirmen haben das Eisenlegen ausgelagert – oft an zweifelhafte Kleinbuden mit häufig wechselnden Namen. (Symbolbild: Adobe Stock)
Das gab es seit Jahren nicht mehr. Über 50 Eisenleger verschiedener Genfer Firmen treffen sich zu einer Krisensitzung. Es ist der 23. März. Die Stimmung ist bitterernst. Der Grund: Viele der Männer sind fast pleite. Teils schon über drei Monate warten sie auf ihre Löhne. Andere von ihnen werden zwar noch bezahlt, aber weit unter dem Mindestlohn, der im Landesmantelvertrag fürs Bauhauptgewerbe (LMV) vorgeschrieben ist. Wieder andere stehen ganz ohne Arbeit da. Denn ihre Chefs haben sich aus dem Staub gemacht, nachdem mehrere ihrer Baustellen gesperrt worden waren. In den vergangenen Wochen nämlich hatten Baustellenkontrolleure der paritätischen Kommission gleich mehrmals kurzen Prozess gemacht. Fast immer wegen Schwarzarbeit in Kombination mit illegalem Aufenthalt.
Einer der betroffenen Arbeiter ist Raif Shkodra*. Der Kosovare arbeitet seit 2012 in der Schweiz – schwarz. Er sagt: «Es ist immer das gleiche mit den Eisenlegerfirmen: Sie nutzen unsere Situation aus. Ich zum Beispiel war Teamleiter, wurde aber wie ein Hilfsarbeiter bezahlt. Und mein Lohn war oft tiefer als auf der Abrechnung ausgewiesen.» Tatsächlich ist es für die Schwarzarbeiter schwierig, sich zu wehren. Wer sich etwa an die Behörden wendet, muss mit Strafen und einem Landesverweis rechnen. Das wissen die Dumping-Firmen ganz genau. Aber nicht nur sie.
«Als Teamleiter wurde ich bezahlt wie ein Hilfsarbeiter.»
GROSSE DRÜCKEN PREIS
Überall, wo betoniert wird, braucht es Armierungseisen. Ein riesiges Geschäftsfeld, könnte man meinen. Doch die Margen sind tief, der Konkurrenzkampf brutal. Schon vor zwanzig Jahren haben die grossen Baufirmen das Eisenlegen fast komplett ausgelagert – oft an zweifelhafte Kleinbuden mit häufig wechselnden Namen und langen Konkurs- und Betrugsgeschichten. Die Genfer Unia spricht von einem «mafiösen System». Doch bloss auf die Lumpenbuden zu zeigen sei falsch, sagt José Sebastião. Er ist Bausekretär bei der Unia und betreut mit den Gewerkschaften Syna und SIT die Genfer Eisenleger. Er sagt: «Um GAV-Löhne und Sozialabgaben zahlen zu können, müsste eine Eisenlegerfirma zwischen 700 und 1000 Franken pro Tonne Eisen verlangen.» Heute aber zahlten die Generalunternehmen bloss zwischen 200 und 400 Franken pro Tonne. Leidtragende seien die letzten Glieder der Kette – die Genfer Eisenleger. Wie prekär es um sie steht, haben die drei Gewerkschaften kürzlich berechnet: Fast 80 Prozent haben demnach keinen regulären Aufenthaltsstatus. Ein horrender Wert! Doch nach den jüngsten Ereignissen könnte sich das Blatt endlich wenden.
KOMMT EIN STREIK?
Noch am Abend des 23. März haben die vereinigten Eisenleger Genfs eine Resolution und einen ausführlichen Forderungskatalog verabschiedet (siehe Box). Darin betonen sie: «Wir mandatieren die Gewerkschaften zur Organisierung jeder nützlichen Kampfmassnahme (…) einschliesslich einer Streikbewegung.»
Eisenleger fordern: Fertig Auslagerung!
Gut 50 Eisenleger von verschiedenen Genfer Firmen haben am
23. März ein Kollektiv gegründet und eine Resolution verabschiedet. Darin fordern sie:
- Reintegration der Eisenleger in die Generalbauunternehmen.
- Stop aller Zahlungen an die vertragsbrüchigen Eisenlegerbuden, bis die Arbeiter zu ihrem Recht gekommen sind.
- Sofortige Einberufung einer Krisensitzung mit Arbeitgebern und Gewerkschaften unter Obhut der Kantonsregierung.
- Intervention des Regierungsrats beim Staatssekretariat für Migration, um für die geprellten Eisenleger eine Aufenthaltserlaubnis auszuhandeln.
Die ganze Resolution gibt es unter rebrand.ly/eisenleger.
Und die Arbeitgeber, haben sie den Schuss gehört? Nicola Rufener ist Generalsekretär des Genfer Verbands der Bauberufe (FMB). Er kann den Forderungen der Eisenleger wenig abgewinnen. Eine Reintegration des Eisenlegens in die Generalbauunternehmen sei «sehr kompliziert», sagte er zur Westschweizer Unia-Zeitung «L’événement syndical». Überhaupt solle man die Generalunternehmen nicht «stigmatisieren». Und die kleinen Eisenlegerfirmen garantierten ausnahmslos, die Regeln zu respektieren. Man habe «keine andere Lösung, als ihnen zu vertrauen».
*Name geämdert