Trucker bei Darmstadt: Triumph nach einem Monat Streik!
Jetzt gibt’s endlich Lohn – und vielleicht sogar eine EU-Reform

Die über 60 streikenden Trucker freuen sich: Knapp 200’000 Euro ausstehende Löhne werden ihnen endlich ausgezahlt. Und auch der zweite Erfolg ist jetzt besiegelt.

ENDE IN SICHT? Seit Ende März schon streiken die Lastwagenfahrer der polnischen Firma Mazur, weil ihnen ihr Chef mehrere Hunderttausend Euro Lohn schuldet. Der hat jetzt versprochen, alle Ausstände zu bezahlen. (Foto: Keystone)

Worum es den streikenden Lastwagenfahrern am Rastplatz Gräfenhausen geht, ist nicht zu übersehen. «Mazur: 97’585 Euro» haben sie in grossen weissen Lettern auf die blaue Seite eines LKW geschrieben. Darunter ein Transparent: «Solidarität ist stärker». Die über 60 Fahrer, die seit rund einem Monat an der A 5 in der Nähe von Darmstadt ausharren, fordern die Zahlung ausstehender Gehälter.

Die LKW stehen still, bis auch der letzte Fahrer seinen Lohn bekommen hat.

KAMPF ZAHLT SICH AUS

Einen ersten Erfolg haben sie durch ihre spektakuläre Aktion letzte Woche erreicht: Knapp 200’000 Euro hat die polnische Unternehmensgruppe Mazur den Beschäftigten überwiesen. Doch das ist laut ihren Berechnungen fast 100’000 Euro zu wenig. Also beschlossen die Fahrer weiterzumachen, bis alle ihr Geld vollständig erhalten haben. Und das hat sich gelohnt! Kurz vor Drucklegung dieser work-Ausgabe kommt es zur Einigung: Das Beratungsnetzwerk «Faire Mobilität» des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) teilt mit: «Die schriftliche Vereinbarung liegt vor, Mazur hat sich verpflichtet alle Zahlungen auf die Konten der Fahrer zu überweisen. Es werden keine rechtlichen Schritte gegen die Fahrer unternommen.» Ein voller Triumph also nach einem harten Kampf. Denn noch wenige Tage vorher hatte der Mazur-Chef behauptet, er sei quitt. Dass er nun auch noch die restlichen 100’000 Euro zusicherte, haben die Streikenden mit ihrer Standhaftigkeit erzwungen. Selbst als Mazur einen Schlägertrupp in Panzerwagen losschickte, um ­ihnen die Lastwagen zu nehmen, liessen sich die aus Georgien, Usbeki­stan und Tadschikistan stammenden Fahrer nicht einschüchtern (work berichtete).

Wie Mazur mit seinen Beschäftigten umspringt, berichtet ein junger usbekischer Fahrer, der sich den Kollegen in Gräfenhausen vor wenigen Tagen angeschlossen hat. Er sei seit November für das Unternehmen unterwegs und habe in diesen Monaten weniger als 1000 Euro Lohn ­erhalten, erzählt der 26jährige, der dar­aufhin ebenfalls die Arbeit niederlegte. Weil er sich bedroht fühlte, kam er zur Raststätte nach Darmstadt. «Hier wurden nicht nur Arbeitnehmerrechte mit Füssen getreten», kommentiert der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema, der im Auftrag der Streikenden mit Mazur verhandelt hat. «Es geht auch um grundlegende Menschenrechte.»

EU-WEITER DURCHBRUCH?

Vor diesem Hintergrund ist die grosse Solidarität extrem wichtig, die die Streikenden von allen Seiten erhalten. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus der Region bringen nahezu täglich Essen vorbei, das DGB-Beratungsnetzwerks «Faire Mobilität» hilft bei der Kommunikation mit Behörden und Gesundheitseinrichtungen, andere sammeln Geld für die Streikenden. Auch die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) hat sich solidarisch gezeigt. Die Unia hat eine Spende von 2000 Franken auf den Weg gebracht.

Der Streik und etliche Medienberichte haben auch die Politik auf den Plan gerufen. Am 18. April debattierte das Europaparlament über den Fall, Politiker verschiedener Parteien stellten sich hinter die Fahrer. Sollten diesen Worten auch Taten folgen, haben die Mazur-Fahrer mit ihrem Kampf nicht nur sich selbst geholfen. Womöglich bewirken sie auch, dass die Regierungen eine längst überfällige politische Regulierung der Transportbranche auf den Weg bringen. Zeit wär’s.

 

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