Die Welt in Les Breuleux ist anders. Faszinierend anders, wie der neue Fotoessay von Unia-Mann Lucas Dubuis über einen Bauern und Bestatter im Jura zeigt.
EIN PARKPLATZ FÜR DEN TOD: Im abgelegenen Juradorf Les Breuleux ist der Bestatter kein Zeremonienmeister mit allerlei teurem Trauerschnickschnack auf der Preisliste. Sondern einfach ein Handwerker. (Foto: Lucas Dubuis)
Hoch oben, weit weg: Die Menschen in Les Breuleux sind ein hartes Leben gewohnt. Noch 1500 Seelen wohnen in diesem jurassischen Dorf in den Franches-Montagnes, den Freibergen, auf tausend Metern über Meer. Unter ihnen ist Dominique Theurillat, 64 Jahre alt. Theurillat hat zwei Berufe: Landwirt und Bestatter. Oder besser: Bestatter und Landwirt. Denn die Verstorbenen sind sein Hauptjob. Er amtet für die ganze Region als Bestatter. Natur und Tod sind die beiden wichtigsten Dinge in seinem Alltag. Dies hat den Fotografen Lucas Dubuis (44) so sehr fasziniert, dass er Theurillats Arbeit in einem eindrücklichen Fotoessay festgehalten hat. Die Fotografien sind soeben in Buchform erschienen und demnächst auch an den Bieler Fototagen zu sehen.*
Das Leben in Les Breuleux ist hart.
SCHNÖRKELLOSES HANDWERK
Dubuis ging in seiner Arbeit sehr rücksichtsvoll vor. Verstorbene sind kaum zu sehen. Höchstens mal eine Hand oder die Wölbung einer Decke, die einen Körper bedeckt. Der Autor wahrt die Würde der Toten. Und er zollt der Arbeit des Bestatters viel Respekt. Aber er legt auch den schnörkellosen Pragmatismus im Umgang mit dem Tod offen. Das mag schockieren, gar etwas pietätlos wirken. Doch Bestatten ist eben auch ein Handwerk.
Dazu braucht es einen Vorrat an Särgen, man muss den Leichnam aufbahren und herrichten. Manchmal ist ein Bostitch nötig, immer aber Schminke und Puder sowie ein Lager für den Stoff und die Totenhemden. Alles möglichst praktisch. Darum stehen die Särge in einer Garage neben einem Stapel Pneus, und die Schminke liegt schon mal auf der Werkbank neben Schraubenziehern. Dubuis’ Fotografien muten teils skurril an – ein Abbild der skurrilen Welt in Les Breuleux. Nicht nur sind hier Leben und Tod eng verschränkt und untrennbar mit Arbeit und Mühsal verbunden. Hier zelebrieren die Menschen auch gerne ihre Freiheit: Sie sehen sich als Farmer und Ranger in rauer Natur, fahren mit grossen Pick-ups herum und hängen in der Werkstatt US-Flaggen auf. Wilder Westen im Jura.
GROSSES SCHWEIGEN
Fotograf Dubuis zeigt uns diese Welt so präzis und klar, weil er sie kennt: Er selbst ist dort aufgewachsen. Den Bestatter Dominique Theurillat lernte er kennen, als seine Grossmutter starb. «Ein sehr ernsthafter Mann mit einem unglaublichen Taktgefühl», beschreibt er ihn. «De la terre à la terre»: So heisst der Titel des Fotobands. Asche zu Asche, Staub zu Staub – eine liturgische Formel, die auf die Vergänglichkeit des Menschen verweist.
Wie er im Gespräch mit work ausführt, wollte Dubuis auch die einfache, ja prekäre Existenz der Leute in dieser Gegend festhalten. Ein Leben, das sie für immer zeichnet. So sitzen auf einem Bild drei Männer an einem Holztisch: Dominique Theurillat, sein Bruder Alain und sein Sohn Fabrice, der den Hof übernommen hat, seit sein Vater hauptamtlicher Bestatter ist. Die Blicke sind gesenkt, ein grosses Schweigen lastet über den dreien, Frauen sind nicht zu sehen. Draussen ist es bereits Nacht. Manchmal trübt dichter Nebel die Sicht, selbst im hochgelegenen Les Breuleux. Alles passt zusammen in diesem starken Essay über die «condition humaine» im hohen Jura.
Lucas Dubuis hat als Autodidakt mit Fotografieren begonnen. 2016 hat er die Arbeit «Quiet Novosibirsk» über eine Reise zweier Bieler Musiker nach Sibirien veröffentlicht. Beruflich arbeitet er in der Kommunikationsabteilung der Unia. Oft greift er auch für die Gewerkschaft zur Kamera. Dabei unterstreicht er die Bedeutung von Bildern für die Gewerkschaftsarbeit: «Die Fotografie ist ein kraftvolles Medium, mit ihr kann man viele Geschichten erzählen.» Wie jene vom Bestatter aus dem Jura.
* Lucas Dubuis, De la terre à la terre. Dominique Theurillat, Bauer und Bestatter. Edition Haus am Gern, Biel 2023, Fr. 35.–. Zu beziehen online beim Verlag Haus am Gern, edition-hausamgern.ch. Bieler Fototage vom 5. bis zum 28. Mai, Programm: bielerfototage.ch.