259 Milliarden Franken Volksvermögen setzen Bundesrat und Nationalbank aufs Spiel, um den Finanzplatz zu retten. Das Parlament lehnte das ab. Wie geht’s jetzt weiter? work beantwortet die wichtigsten Fragen.
MIT WEHENDEN FAHNEN: Das Ende der Credit Suisse ist besiegelt. Während die UBS übernimmt, garantiert der Staat mit Volksmilliarden für den Deal. (Foto: Keystone)
Bleiben die 259 Milliarden Volksvermögen trotz Parlaments-Nein auf dem Spieltisch des Finanzcasinos?
Bundesrätin Keller-Sutter hat der UBS 9 Milliarden Franken einfach so versprochen, die konkreten Bedingungen werden erst jetzt ausgehandelt.
Ja! Trotz allen medialen Aufgeregtheiten nach dem Motto «Drei Juristinnen, vier Meinungen». Tatsache ist: Der Bundesrat hat recht, wenn er darauf beharrt, dass ihm die Meinung des Parlaments schnurzpiepegal ist. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat der UBS Zusagen gemacht und der internationalen Finanzindustrie Versprechen. Die werden eingehalten, koste es an Volksvermögen, was es wolle.
Die nach der UBS-Rettung 2008 eingebauten «Kontrollen durch das Parlament» sind genauso wirkungslos wie die «Too big to fail»-Regulierungen. Ob die bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die sie durchgeboxt, gestaltet und am Leben erhalten haben, an deren Wirksamkeit glaubten oder nur so taten, bleibt offen. Im einen Fall wären sie dumm, im anderen dreist. Wer sie allerdings jetzt noch als tauglich verteidigt, ist dummdreist.
Was bedeuten die Klagen von CS-Investoren?
Es geht im Kern darum, dass die Credit Suisse eine bestimmte Sorte von Anleihen ausgegeben hat. Diese wurden höher verzinst, mit dem Risiko, dass sie in bestimmten Situationen für wertlos erklärt werden konnten. Wirklich interessant bei dieser letztlich innerkapitalistischen Auseinandersetzung wird sein, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Abschreibung der Anleihen gegeben waren. Wenn ja, schauen die Investorinnen und Investoren in die Röhre, wenn nein, wird wohl die Allgemeinheit bezahlen müssen.
Müssen die Abzocker-Manager vor Gericht?
Das ist nicht zu erwarten. Und wenn, haben sie beste Chancen, freigesprochen zu werden. So wie es in den Fällen Swissair und UBS auch geschehen ist.
Wie geht es der Credit Suisse wirklich?
Auf dem Papier und auf den ersten Blick prächtig: Für die ersten drei Monate 2023 weist die CS einen Gewinn von über 12 Milliarden Franken aus. Das hängt allerdings einfach damit zusammen, dass der Bund 15 Milliarden Franken Anleihen (siehe oben) für wertlos erklärt hat. Die CS-Quartalszahlen zeigen allerdings auch: gerade die Reichen haben ihr Geld abgezogen. Die Vermögensverwaltung schrieb massive Verluste. Buchhalterisch ist dieser Geschäftsbereich jetzt weniger wert als alle seine Vermögenswerte zusammengerechnet. Übrigens: In den letzten Wochen hat die CS zwischenzeitlich auch schon bis zu 170 Milliarden Volksvermögen bezogen – ohne diese hätte sie ihre Verpflichtungen nicht erfüllen können.
Was macht eigentlich der Bundesrat?
Der lässt sich erst einmal Zeit. Das Bankensystem ist vorläufig gerettet, das Volksvermögen aufs Spiel gesetzt. Erst in einem Jahr will er dann mal sagen, ob er überhaupt etwas ändern wolle. Möglich ist das, weil SVP, FDP, GLP und die Mitte sich geweigert haben, mehr als harmlose «Prüfaufträge» zu verabschieden. Auf hartnäckiges Nachfragen der fortschrittlichen Parteien hat Finanzministerin Karin Keller-Sutter während der ausserordentlichen Session angetönt, dass sie nicht daran denke, etwa die Eigenkapitalanforderungen, also das «Vermögen» der Bank, in wirksamer Weise anzuheben. Was nur logisch ist, weil sie der Finanzindustrie treu bleibt.
Was steht in den Verträgen?
Gute Frage! Und eine unbeantwortete. Es sind vier Verträge. Bei zweien davon stellt sich der Bundesrat auf den Standpunkt, er sei gar nicht Vertragspartei und kön-
ne zum Inhalt nichts sagen. Einer ist relativ einfach: darin gibt der Bund gegenüber der SNB eine Garantie ab für den Fall, dass diese mit Liquiditätshilfen im Rahmen der CS-Rettung Verluste erleidet. Und einen gibt es noch gar nicht – nämlich jenen über die 9 Milliarden, die der Bundesrat der UBS zusichert. Keller-Sutter hat diese Milliarden einfach versprochen, die konkreten Bedingungen werden erst jetzt ausgehandelt.
Gibt es eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK)?
Das Büro des Nationalrates ist dafür. Die Parteien auch, zumindest in den Medien. Gesetzt ist die Einsetzung einer PUK trotzdem noch lange nicht. Gerade im Ständerat gibt es starke Kräfte, die nicht an einer solchen interessiert sind. Aber selbst wenn eine PUK eingesetzt wird, kommt es darauf an, wie genau ihr Auftrag formuliert ist. So oder so werden PUK-Ergebnisse erst nach den nationalen Wahlen vom kommenden Herbst vorliegen. Genau so, wie es sich SVP, FDP, GLP und Mitte wünschen.
Was macht eigentlich die Finanzmarktaufsicht?
Als wäre es ein Stück von Dürrenmatt: Die Finma, die 600 Leute auf der Lohnliste hat, von denen regulär gerade mal 6 die CS «beaufsichtigten», hat diese Woche ihren Bericht 2022 vorgelegt. Fazit: Auch bei der CS ist eigentlich alles bestens vorbereitet für den Krisenfall. Leider hat sich einfach die Realität nicht daran gehalten. Warum das so ist, will die Finma dann im nächsten Jahresbericht erläutern.