Der Schweizer Arbeitsmarkt hat ein Rassismusproblem. Das zeigt auch die Erfahrung von Djeneta Ramadani (27).
300 BEWERBUNGEN: Djeneta Ramadani hatte trotz starker Qualifikation Mühe, einen Job zu finden. (Foto: Matthias Luggen)
Vielen Menschen in der Schweiz wird die Jobsuche erschwert. Sie müssen das Vielfache an Bewerbungsdossiers einreichen, um an ein Gespräch eingeladen zu werden. Der Grund: Diskriminierung aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Namens, ihrer Kleidung oder anderer Merkmale. Auch Djeneta Ramadani (27) hatte Mühe, einen Job zu finden, weil sie ein Kopftuch trägt.
work trifft die Schweizerin an einem sonnigen Tag an der Aare in Olten SO. Die Leute dort führen ihre Sonnenbrillen, kurzen Hosen und Sandalen spazieren. Auch Djeneta Ramadani trägt ihr Sommertenue: eine weisse Leinenbluse, luftige Stoffhosen in Türkis und das passende Kopftuch dazu. Seit vielen Jahren trägt Ramadani ihr Kopftuch. Mit work spricht sie darüber, wie sie deswegen diskriminiert wurde und wird. Das fing bereits in der Schule an.
ZUM SCHULLEITER ZITIERT
«Mein Kopftuch gehört zu mir, aber es hat mir leider viele Schwierigkeiten bereitet», sagt Ramadani. Mit 15 Jahren hat sie sich aus religiösen Gründen dazu entschieden, ein Kopftuch zu tragen. Der Zeitpunkt fühlte sich gerade richtig an, denn damals kam sie in eine neue Klasse und an eine neue Schule. «Meine Mitschülerinnen und -schüler sowie die Lehrpersonen haben mich vom ersten Tag an akzeptiert. Trotzdem wurde ich noch in der ersten Woche zum Schulleiter zitiert», erinnert sich die 27jährige.
Ramadani hatte mehrere Gespräche mit dem Schulleiter – alle ohne Begleitung der Eltern. «Ich wollte das allein regeln, als hätte ich geahnt, dass ich solche Diskussionen noch etliche Male in meinem Leben führen werde.» Letztlich durfte sie das Kopftuch im Unterricht anbehalten. Sowieso, findet sie, seien Kleidervorschriften in Schulen unnötig. Es spiele doch keine Rolle, ob jemand mit Kopftuch oder in einem Trägertop die Schulbank drücke.
TRAUMBERUF BLEIBT VERWEHRT
Ramadanis erste Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt waren ebenfalls von Diskriminierung geprägt. Sie wollte als Schülerin ihr Sackgeld aufbessern: «Ich hätte gern an einer Kasse gearbeitet, doch bei Denner, Coop und Subway waren Kopftuchträgerinnen nicht willkommen», sagt sie. Auch ihren Traum, Lehrerin zu werden, musste Ramadani aufgeben: «Ich hätte studieren können, aber mit Kopftuch zu unterrichten ist bis heute fast nicht möglich.»
Also entschied sich Ramadani für das Studium in «mehrsprachiger Kommunikation». Das Studium war eine tolle Erfahrung. Sie durfte einen Sprachaufenthalt in London absolvieren und hatte direkt nach dem Studium die Möglichkeit, ein Praktikum bei der Schweizer Botschaft in Washington DC zu machen. «Doch leider haben mir weder das Studium noch das Praktikum die Türen zum Schweizer Arbeitsmarkt geöffnet», sagt Ramadani.
«Nach vier Monaten war ich verzweifelt und das Geld ging mir aus.»
DIE «FALSCHE DNA»
«Nach meiner Rückkehr aus dem Praktikum war ich monatelang auf Jobsuche. Ich habe mich für Bürojobs aller Art beworben. Auch für einige, für die ich überqualifiziert war. Doch zurück kamen nur Absagen. Einmal mit der Begründung, ich hätte die ‹falsche DNA› für diese Stelle», erzählt Ramadani. Das Problem war ihr Kopftuch. Und tatsächlich habe ihr auch das RAV empfohlen, sich ohne Foto zu bewerben. Für Ramadani kam das nicht in Frage: «Ich will mich nicht verstecken!»
«Nach vier Monaten war ich verzweifelt, und das Geld ging mir aus. Spontan habe ich mich für eine Stelle im Verkauf bei H & M beworben.» Sie war die erste Kopftuchträgerin im Geschäft. Die Kundschaft hat das sehr positiv aufgenommen. Und sie kennt dieses Gefühl der Zugehörigkeit: «In London oder Washington sind Frauen mit Kopftüchern in der Arbeitswelt viel sichtbarer. Zum Beispiel im Verkauf, in der Gastronomie oder an Schaltern.» Diese Sichtbarkeit sei für alle Betroffenen sehr wichtig.
Während ihrer Anstellung als Verkäuferin hat sich die 27jährige weiter beworben. Insgesamt hat Ramadani bereits über 300 Bewerbungen verschickt. Heute arbeitet sie bei Franke, einem grossen Hersteller von Küchengeräten, und kümmert sich um die Korrektur und Vervollständigung von Texten rund um die Küchengeräte. Mit ihrem Job ist sie sehr zufrieden, doch Alltagsrassismus erlebt sie wegen ihres Kopftuchs weiterhin oft.
hallo