Wir sind gegenüber den cheiben Excel-Tabellen zu wenig kritisch. Das zeigt Österreich, wo ein falscher Mann Parteipräsident wurde. Und München, wo ein Forscher mit zehn Mal zu viel Weizen rechnet.
WAHLDEBAKEL BEI DER SPÖ: Weil die Wahlkommission der Excel-Tabelle vertraute und nicht nachrechnete, kürten sie Peter Doskozil (links) zum Präsidenten statt Andreas Babler (rechts). (Foto: Screenshot Kronen Zeitung)
Der Linken im benachbarten Europa geht es nicht gut. In Italien gewannen die fremdenfeindlichen Rechten die letzten kommunalen und regionalen Wahlen. In Frankreich konnten die Linke und die Gewerkschaften Staatspräsident Emmanuel Macron nicht in die Knie zwingen. Obwohl die Mehrheit der Französinnen und Franzosen gegen eine Erhöhung des Rentenalters war und ist.
In Deutschland ist die fremdenfeindliche AfD in allen Umfragen jetzt gleich stark wie die Sozialdemokratische Partei (SPD). Und in Österreich kommen die Sozis nicht aus dem Schlamassel raus. Die österreichische «Kronen-Zeitung» vom
5. Juni wusste zu berichten: «Das verkündete Wahlergebnis des SPÖ-Parteitags ist falsch. Um 15.32 Uhr am Montagnachmittag musste die Leiterin der Wahlkommission, Michaela Grubesa, den fatalen Fehler zugeben. Nicht Hans Peter Doskozil ist der neue SPÖ-Parteichef – sondern Andreas Babler … Offenbar beherrscht keiner in der Kommission die Addition. Auch wurde keine Kontrolle des Ergebnisses durchgeführt. Ein Mitarbeiter hatte das Wahlergebnis der Auszählung falsch in die Excel-Datei eingegeben. Ein absolutes Debakel für die Partei.»
«OLLE DEPPAT». Der ausserordentliche Parteitag der SPÖ wollte und musste den neuen Präsidenten wählen. Es standen sich gegenüber: der linke Andreas Babler und der in Sachen Einwanderung rechte Hans Peter Doskozil. Zum Sieger ausgerufen wurde der burgenländische Gulasch-Kommunist Doskozil.
Eine neunzehnköpfige Wahlkommission hatte seinen Sieg festgestellt. Doch der war gar keiner: Nur weil ein Journalist nachfragte, ob man sich nicht um eine Stimme geirrt habe, platzte die Blase.
Beim Auszählen werden die Stimmen der Kandidierenden auf je einen Stapel gelegt. Vielerorts werden die Stapel gewogen, und schon ist klar, wer gewonnen hat. Oder jeder Wahlzettel bekommt – nach Kandidierenden getrennt – eine fortlaufende Nummer. Jede Excel-Tabelle wird normalerweise mehrmals überprüft, bevor man ein Resultat bekanntgibt. Nicht so bei der SPÖ: Denn die 19 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten der Kommission waren in ihrer grossen Mehrheit für Kandidat Doskozil. Sie freuten sich deshalb so sehr über seinen – wenn auch knappen – Sieg, dass sie nichts kontrollierten. Sie vertrauten der Excel-Tabelle eines kleinen Funktionärs. Dazu nochmals das Boulevardblatt «Kronen-Zeitung»: «Sind in der SPÖ olle deppat?»
EINE NULL WENIGER. Dieses Beispiel belegt: Wir müssen verdammt kritisch sein, wenn wir glauben, dass wir recht haben. Und immer mit dem alten Taschenrechner die Resultate überprüfen. Auch wenn uns ein Wissenschafter Zahlen verkauft.
In einem Artikel über Indoor-Klimakammern im deutschen «Handelsblatt» behauptete Forscher Senthold Asseng von der Technischen Universität München kürzlich: «Mit 100 Schichten (von Klimakammern übereinander, Red.) könnten wir auf nur einem Hektar 6000 Mal mehr Weizen produzieren, als es auf dem Feld möglich wäre.»
Wir rechnen nach: Auf einer Hektare produzieren Schweizer Bäuerinnen und Bauern in guten Lagen 8 Tonnen Weizen. 6000 Mal mehr Ernte ergäbe einen Ertrag von 48 Millionen Kilo Weizen pro Jahr. Stimmt alles so nicht: In Klimakammern können sie 6 Mal pro Jahr Weizen ernten. Und wenn man 100 Klimakammern übereinanderstapelt, folglich 600 Mal mehr und nicht 6000 Mal mehr. Ist immer noch gigantisch, aber halt doch zehn Mal weniger.
Links zum Thema:
- rebrand.ly/chaos-chronik «Profil» ist das führende österreichische Nachrichtenmagazin. Der Titel des frei zugänglichen Kommentars über das SPÖ-Wahldebakel: «Von der Giraffe zum Excel-Fehler: Chronologie des SPÖ-Chaos.»
- rebrand.ly/indoor-farmen Die «Süddeutsche Zeitung» weiss zu berichten: «Einer der Schlüssel, um die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können, ohne dass dies zulasten der Umwelt geht, sind für Asseng Indoor-Farmen. Als Ergänzung, nicht als Ersatz für die bestehende Landwirtschaft, wie er betont. In einer kontrollierten Umgebung wird den Pflanzen dabei, unabhängig von Klima und Wetter, bis hin zum Licht alles gegeben, damit sie wachsen können und einen guten Ertrag liefern. Sogar die Sonne wird durch LEDs ersetzt. ‹Das ist das Grundkonzept›, sagt Asseng, der an der TU München den Lehrstuhl für ‹Digital Agriculture› innehat. Ausserdem ist er seit 2021 Direktor des Hans-Eisenmann-Forums für Agrarwissenschaften an der TU München.»