Der Frauenstreik wird laut und bunt. Dafür greifen die Malerinnen der Theaterwerkstatt in Bern zum lila Farbkessel – und holen ihr schönstes Requisit aus dem Keller.
MALERIN LISA MINDER: «Seit ich selber Mutter bin, sehe ich die Benachteiligung von Frauen immer mehr.» (Foto: Henrik Olofsson)
In der Theaterwerkstatt der Bühnen Bern wird täglich gesägt, geschweisst, gemalt und geschliffen. Die Handwerkerinnen und Handwerker gestalten Bühnenbilder für sämtliche Aufführungen, von Schauspiel bis Ballett.
Das Industrieareal Felsenau ist aussen trist und grau, innen wirkt die Werkstatt wie eine bunte und kreative Arena. Doch am 14. Juni wird hier nicht gearbeitet! Die Tore bleiben zu, die Mitarbeitenden gehen demonstrieren. Auf einem Veloanhänger mit dabei: eine riesige, selbstgestaltete lila Faust, die schon am grossen Frauenstreik 2019 durch Berns Gassen rollte.
Denn die Equipe der Werkstatt besteht nicht nur aus talentierten Schreinerinnen, Schweissern und Malerinnen, sondern auch aus waschechten Feministinnen und Feministen. 2019 waren etwa 50 Mitarbeitende der Werkstatt am Frauenstreik dabei. Das Ganze unter dem Motto: «Frauen ins Rampenlicht!» Denn auch in der Kunst- und Kulturszene harzt es mit der Gleichberechtigung.
Am 14. Juni bleiben die Werkstatt-Tore geschlossen.
RENTENLÜCKE FÜR JUNGE MÜTTER
Für Lisa Minder (38), Leiterin der Malwerkstatt, ist der Frauenstreik eine Herzensangelegenheit. Die gelernte Theatermalerin geht auf die Strassen, um die Arbeitswelt für Frauen besser zu machen. Sie sagt: «Seit ich selbst Mutter bin, sehe ich die Benachteiligung von Frauen immer mehr.» Sie selbst arbeitet in einem 50-Prozent-Pensum und teilt sich die Leitungsposition mit einem Arbeitskollegen. Wegen ihrer Teilzeitstelle entstehen in ihrer Altersvorsorge Lücken. Minder: «Ich habe mein Pensum reduziert, um meinen Sohn zu betreuen, und dafür werde ich im Alter bestraft.»
Das 12köpfige Team, das Minder leitet, ist zurzeit eine reine Frauenequipe. Die Mehrheit arbeitet Teilzeit, was für die Chefin organisatorisch kompliziert werden kann. Aber: «Ich nehme den Aufwand gerne auf mich, damit alle in einem passenden Pensum bei uns in der Werkstatt weitermalen können.»
Auch Jasmin Kupferschmied (33) arbeitet Teilzeit. Die gelernte Malerin hat lange Zeit auf Baustellen gestrichen. Vor über zehn Jahren stiess sie per Zufall zur Theaterwerkstatt und wusste sofort: «Hier will ich hin!» Obwohl sie auf dem Bau mehr verdiente, gefiel der Malerin die Atmosphäre, das Team und die Arbeit in der Theaterwerkstatt besser. «Hier ist der Ton nicht so rau wie auf vielen Baustellen», sagt sie. Besonders in der Lehre brauchte sie als junge Frau Zeit, um mit den Umgangsformen klarzukommen. «Der Job auf dem Bau härtet ab, definitiv», sagt die 33jährige. Im Sommer möchte sie die verkürzte Lehre zur Theatermalerin beginnen. Diese Berufsbildung ist in der Schweiz besonders rar. Jährlich starten zwei bis sechs Lernende diese Ausbildung – in der ganzen Schweiz.Video-Countdown zum Frauenstreik
Ob Verkäuferin, Malerin oder Pharmaassistentin: die Frauen sind bereit für den 14. Juni. work-Kolumnistin Sandra Künzi und Comédienne Camille Carron reisten in den vergangenen Wochen durch die Schweiz und dokumentierten die Streikvorbereitungen. Alle Videos gibt’s auf
unia.ch/countdown-frauenstreik oder direkt über den QR-Code.
VOLLES PROGRAMM AM 14. JUNI
Schreinerin Rose Marie Hintermeister (56) arbeitet ebenfalls in der Theaterwerkstatt. Sie ist hier als einzige Frau in der Schreinerei angestellt. Davon benachteiligt fühlte sich die 56jährige nie: «Ich geniesse die kreative und abwechslungsreiche Arbeit. Und auf den Frauenstreik freue ich mich besonders!» Am 14. Juni ist sie den ganzen Tag unterwegs: Vormittags tritt sie mit ihrer feministischen Tanzgruppe auf, und nachmittags schliesst sie sich ihren Kolleginnen und Kollegen von der Theaterwerkstatt an, um mit der lila Faust auf Rädern die Demo in Bern aufzumischen.