Henrique Schneider wird nun doch nicht Direktor des Gewerbeverbandes. Weil er als Plagiator aufgeflogen ist. Nicht weil er als Rechtsrandständiger aufgefallen ist.
ABGESÄGT: Henrique Schneider. (Foto: Youtube)
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) «widerruft» die Wahl von Vizedirektor Henrique Schneider zum Direktor. Drei Wochen vor seinem geplanten Stellenantritt. SGV-Präsident Fabio Regazzi dazu: «Für den SGV ist die Glaubwürdigkeit das höchste Gut. Daher hat sich der Vorstand nach eingehender Diskussion für diesen Schritt entschieden.» Nicht einstimmig, aber doch mehrheitlich, wie zu erfahren war.
BIGLERS PLAN. Dabei schien doch alles so gut eingefädelt für Schneider. Der zurücktretende Präsident Hans-Ulrich Bigler, der den SGV in seiner Amtszeit zur SVP-Frontorganisation umgebaut hat, hatte seinen Ziehsohn und bisherigen Vize Schneider erfolgreich als Nachfolger positioniert. Obwohl Schneider immer wieder mit eigenartigen publizistischen Auftritten in Rechtsaussenpublikationen auffiel und für die rechtsnationalistische deutsche AfD als Parteigutachter tätig war. Am 18. Januar schrieb der SGV-Vorstand: «Herr Henrique Schneider hat in den verschiedenen Etappen des mehrmonatigen Rekrutierungsprozesses durch seinen Scharfsinn, seine Integrität und seine Fachkompetenz überzeugt.»
Vizedirektor darf Plagiator Schneider beim SGV trotzdem bleiben.
NZZ-VAR. Im Fussball gibt es seit einiger Zeit den «Video Assistant Referee» (VAR). Er beobachtet das Spiel von aussen und meldet sich beim Schiedsrichter auf dem Platz, wenn dieser sich bei einem wichtigen Entscheid vergaloppiert. Bei der Neuwahl des SGV-Direktors übernahm Felix E. Müller diese Rolle. In der «NZZ am Sonntag», deren Chefredaktor er einst war, als das Blatt noch in weniger seichten Gewässern kreuzte, deckte er zusammen mit einem Plagiatsexperten unzählige Abschreibereien in Schneiders Arbeiten auf und stellte Fragen zu dessen Titeln und «unternehmerischen Tätigkeiten». Die Studie gibt’s hier, den work-Artikel hier.
AUFGESCHRECKT. Die Berichte über Schneiders rechtsrandständiges Verhalten störten den SGV-Vorstand nicht, die vielen Fragezeichen im NZZaS-Artikel schreckten die Damen und Herren dann doch auf. Am 21. März beauftragten sie eine externe Anwältin mit einer Untersuchung. Jetzt liegt der Bericht vor und bestätigt die Plagiatsvorwürfe. Was zu den «unternehmerischen Tätigkeiten» Schneiders ans Licht kam, bleibt im Dunkeln. work fragte bei der SGV-Kommunikationschefin nach dem Bericht. Erfolglos, auch 50 Stunden später und bei Redaktionsschluss dieser Nummer lag keine Antwort vor.
UND DER BUND? Offen bleibt vorläufig auch, wie lange Plagiator Schneider noch SGV-Vizedirektor bleibt und was mit seinen diversen Sitzen in Institutionen wie der Wettbewerbskommission geschieht, die vom Bundesrat vergeben werden oder die im Auftrag des Bundes arbeiten.