Stur wie eine Eselin
Die Wahrheit ist ja bekanntlich ein stark umworbenes, kostbares Gut. Und sieht je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich aus.
Die Protestbewegung «Renovate» ist durch ihre Klebeaktionen in aller Munde, und das nicht gerade in gehobener Sprache. So gemütserhitzend diese Klebereien auch sein mögen, so unspektakulär ihre einzige Forderung: die Schweiz soll ihre Häuser besser isolieren. Nicht gerade revolutionär, aber ein wichtiger Schritt für den Klimaschutz. Denn die Gebäude sind in der Schweiz für 44 Prozent des Energieverbrauchs und für rund einen Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich.
Ohne Elektromonteure & Co. erreichen wir die Klimaziele nie und nimmer.
KLIMAKILLER. Das Klima dankt eine Gebäuderenovation gleich dreifach: weniger Wärme entweicht ungenutzt in die Luft, erneuerbare Heizsysteme heizen die Erderwärmung weniger an, und jedes Haus, das saniert wird, ist besser als ein Betonneubau. Denn für Beton braucht es den Klimakiller Zement. Darum sagt auch Baubüezer Eric Ducrey: «Vom betonbasierten Bauen müssen wir dringend wegkommen, wenn wir die Klimakatastrophe noch aufhalten wollen.» Wieso weniger Betonneubauten nicht zu mehr Arbeitslosigkeit führen, lesen Sie hier.
DÜRRE. Eine regelrechte Dürre herrscht zurzeit in der Solarbranche: Wer jetzt eine Anlage aufs Dach bauen will, kommt frühestens in einem halben Jahr zum Zug. Nicht etwa, weil das Material fehlt, sondern die Montage-Fachleute. In der Schweiz werden erst knapp 6 Prozent der Dachflächen für Solaranlagen genutzt. Wollen wir aber die Energiewende schaffen, brauchen wir bis 2035 mindestens dreimal so viel Solarstrom wie heute. Doch für diesen Ausbau fehlen bis zu 12 000 Solar- Fachleute. Oder bei der Gebäudesanierung, da sind’s bis zu 20 000, beim Ersatz von Heizungsanlagen rund 13 500. Prognosen gehen von insgesamt rund 90 000 zusätzlichen Berufsleuten in den nächsten Jahren aus.
MILLIONEN. Dank dem Ja zum Klimagesetz stehen jetzt für diesen Aus- und Umbau Hun- derte Millionen Franken an Subventionen zur Verfügung. Doch diese Millionen dürfen nicht nur in den Taschen der Hausbesitzerinnen und Firmen landen. Sie müssen auch jenen Büeze- rinnen und Büezern zugute kommen, die heute und in Zukunft tagtäglich für die Energiewende chrampfen: den Solarmonteurinnen, den Elektromonteuren, den Heizungsinstallateurinnen, den Abdichtern,… Ohne sie erreichen wir unsere Klimaziele nie und nimmer. Doch rückständige Arbeitsbedingungen führen dazu, dass viele der Branche den Rücken kehren. Jetzt sind die Arbeitgeber in der Pflicht, denn sonst gefährden sie die Energiewende. Was die Heldinnen und Helden der Energiewende für die Erneuerung ihres Gesamtarbeitsvertrags fordern, damit sie ihre Herkulesaufgabe bewältigen können, und welche Rolle dabei der Klimafonds spielt, lesen Sie hier.
Liebe Leserinnen und Leser, die vergangenen Monate waren durchaus erfreulich: Wir haben die Klima-Abstimmung gewonnen, in Winterthur und Zürich Mindestlöhne eingeführt und einen fulminanten Frauenstreik erlebt. Im Herbst gilt es, die Löhne zu verteidigen und den Menschen in den Energiewende-Jobs gute Arbeitsbedin- gungen zu sichern. Doch zuerst macht work Pause. Online und auf den sozialen Medien sind wir aber weiterhin präsent. Die nächste work-Ausgabe finden Sie am 18. August in Ihrem Briefkasten. Wir wünschen Ihnen frische Sommertage und erholsame Ferien.