Tiefe Löhne, sexuelle Belästigung, fehlende Vereinbarkeit und Respekt: 21 Frauen sagen, warum sie am grossen Frauenstreik am 14. Juni mit dabei sind.
Christiane Brunner (76), Gewerkschafterin und Streikführerin von 1991
«1991 kamen wir auf die Idee, einen Frauenstreik zu starten. Wir waren unter Kolleginnen aus der Uhrenindustrie im Vallée de Joux, weil ich dort ein kleines Chalet besitze. Es waren die Uhrenarbeiterinnen, die gesagt haben: ‹Wir müssen etwas tun, es passiert nichts. Die Gleichberechtigung ist nicht erreicht, und wir sollten streiken.› Ich griff die Idee auf. Warum nicht einen Streik organisieren? Und so haben wir die Frauenstreik-Bewegung gestartet.
UND ES GEHT DOCH! Meine männlichen Kollegen sagten mir: ‹Das kannst du nicht tun!›, ein Streik sei etwas Heiliges, ich könne doch nicht das Wort Streik für Frauen verwenden. ‹Das geht ja gar nicht›, meinten sie, ‹man kann keinen Frauenstreik machen!› Ich habe die Gewerkschaften nach und nach überzeugt. Besonders zum Lachen gebracht hat mich eine Frau in der Deutschschweiz: Sie sagte (zu ihrem Mann): ‹An diesem Tag wirst du kalt essen!›
So kam es schliesslich dazu, dass der Frauenstreik gross wurde und wir 1991 einen sehr schönen Tag hatten.
WEITERKÄMPFEN! Es gibt immer noch Arbeit, damit Frauen ihren wahren Platz einnehmen können. Und dieser 14. Juni sowie der nächste 14. Juni ermöglichen es, die Flamme neu zu entfachen. Wenn wir aufhören zu kämpfen, sind wir schon geschlagen. Also müssen wir weiterkämpfen, weiterkämpfen, weiterkämpfen. Die Bewegung des 14. Juni ist wirklich eine wunderbare Initiative, um Gleichberechtigung zu erreichen.»
Ursina Weiler (28), Kellnerin, Zürich
… weil es doch nicht sein kann, dass man sich in der Gastronomie für circa 20 Franken pro Stunde abrackert. Und ich habe genug von sexueller Belästigung seitens Mitarbeitern und Gästen. Darum organisiere ich mich mit dem Gastra Kollektiv und kämpfe am 14. Juni gegen Patriarchat und Kapitalismus – für eine klassenlose Gesellschaft.»
Stephanie Wegmann (44), Malerin, Olten SO
… weil Gleichberechtigung in allen Bereichen trivial sein sollte, es aber noch nicht ist. Als Frau vom Bau fordere ich zeitgemässe Arbeitsbedingungen. Alle sollen die Möglichkeit haben, Teilzeit zu arbeiten. Und saubere Sanitäranlagen und fliessendes Wasser sollten überall selbstverständlich sein!»
Marion Wagner (69), pensionierte Pädagogin und aktive Klimaseniorin, Zürich
… weil ich meine Solidarität mit allen Frauen zum Ausdruck bringen möchte. Wir Frauen haben in der Gesellschaft einen nicht ganz leichten Stand bezüglich beruflicher Akzeptanz und Anerkennung. Werden wir Frauen bald auch rechtlich belangt, wenn wir abtreiben müssen oder wollen? Wie sieht es aus mit dem Respekt unseren Körpern gegenüber?»
Natalie Imboden (52), Grünen-Nationalrätin, Bern
… weil die Frauenarbeit mehr Lohn verdient, aber auch mehr Respekt. Die traditionell zu tiefen Löhne in der Pflege, im Verkauf, in der Betreuung müssen endlich steigen. Dass sich die Nominallöhne 2022 von Frauen insgesamt schlechter entwickelt haben, ist mehr als ein Alarmzeichen. Wirtschaft und Politik müssen jetzt konkrete Fortschritte liefern!»
Leandra Rieser (27), Flight-Attendant/Journalistin, Sommeri TG
… weil ich in einer Gesellschaft leben möchte, in der Gleichstellung und Gleichberechtigung für alle Individuen sich nicht wie eine Utopie anfühlen, sondern Realität sind.»
Mattea Meyer (35), SP-Co-Präsidentin, Winterthur ZH
… weil es gute Renten, bezahlbare Kita-Plätze, Schutz vor sexualisierter Gewalt braucht: Drei von unzähligen Gründen, weshalb ich am 14. Juni für mehr Gleichstellung streike.»
Cecilia Machado (62), Sterilisations-Assistentin, Zürich
… weil ich gesund, würdevoll und nicht verarmt in den Ruhestand gehen will und damit die Arbeit von uns Migrantinnen endlich anerkannt wird.»
Rose-Marie Hintermeister (56), Schreinerin, Bern
… weil Frauen und Männer nicht gleich beachtet, behandelt, beurteilt und bezahlt werden.»
Suzanne Zaslawski (46), Uhrenarbeiterin, Le Locle NE
… weil wir Frauen mehr verdienen. Mehr Geld und mehr Verantwortung! Wir wollen Mütter, Arbeiterinnen, Sekretärinnen sein – aber auch Direktorinnen, CEO, Verwaltungsrätinnen.»
Dijana Knežević (30), Architektin, Olten SO
… weil ich auf den Baustellen mehr Bauherrinnen begegnen möchte.»
Domenica Priore (55), Sanitärinstallateurin, Egg ZH
… weil auf dem Bau Frauen, non-binäre und Transpersonen immer noch benachteiligt werden. Viele verdienen nicht gleich viel wie Männer in gleicher Position, die Infrastruktur ist zum Teil unzureichend, die Toiletten sind unhygienisch, oft ohne fliessendes Wasser. Die Aufstiegsmöglichkeiten sind für uns schlechter, und das Problem der sexuellen Belästigung ist ungelöst.»
Paola Ferro (69), Rentnerin, Bern
… weil Frauen immer noch um Lohngleichheit kämpfen müssen. Wir haben uns bessere Löhne und bessere Renten verdient. Am Frauenstreik bin ich laut für die Stärkung der AHV und für eine 13. AHV-Rente.»
Brigitte Schweizer (62), Verkäuferin, St. Gallen
… weil ich möchte, dass auch Frauen im Verkauf endlich mehr als den Mindestlohn verdienen.»
Simona Schmid (39), städtische Mitarbeiterin, Zürich
… weil Patriarchat und Kapitalismus noch immer vielen Menschen in unserer Gesellschaft ihre Freiheiten rauben. Und weil Gemeinschaft und Community enorm wichtig sind für Veränderungen.»
Aïda Salamin (37), Pflegehelferin, Grône VS
… weil wir noch viel Arbeit vor uns haben, um die Perspektiven von Frauen und Mädchen in der Schweiz und überall auf der Welt zu verbessern.»
Mara Bollag (38), Sozialarbeiterin, Zürich
… weil Frauen in unserer Gesellschaft immer noch diskriminiert, abgewertet, unterdrückt und ungleich behandelt werden.»
Lara Wüst (28), Fachfrau Betreuung Kind, Zürich
… weil sich die Arbeitsbedingungen in der Kita endlich verändern müssen! Wir verdienen mehr Respekt und faire Löhne.»
Anna Villiger (30), DJ und Kuratorin, Präsidentin Feministisches Streikkollektiv Thurgau
… weil ich für eine faire, feministische und grüne Zukunft ohne überholte Rollen- und Geschlechterbilder bin und um diesen ganzen Sexismus endlich zu überwinden.»
Anna-Katharina Tonet (31), Pflegefachfrau HF und Studentin soziale Arbeit, Bern
… weil die unbezahlte Care-Arbeit endlich fair verteilt werden muss und die bezahlte Care-Arbeit endlich fair entlöhnt! Dazu braucht es unter anderem Lohngleichheit und bezahlbare Kita-Plätze.»
Toja Rauch (32), Gastro-Fachfrau und angehende Linguistin, Winterthur ZH
… weil ich mir die finanziellen Ungleichheiten und die fehlende gesetzliche sowie menschliche Unterstützung bei sexuellen Übergriffen nicht mehr gefallen lasse. Ich will, dass uns zugehört wird.»