Waadtländer Urteil wegen diskriminierender Entlassung
Sieg, Sieg, Sieg für Service-Frau und Mutter

Dreimal wurde die Gastromitarbeiterin Aleksandra Jovic nach der Geburt ihres Babys unrechtmässig entlassen. Dreimal hat sie sich erfolgreich gewehrt.

RESPEKTLOS: Im Fall von Aleksandra Jovic schickte der Chef gleich dreimal eine Kündigung. Dreimal unrechtmässig. (Foto: Olivier Vogelsang)

Servicemitarbeiterin Aleksandra Jovic (31) ist zufrieden: «Dieses Urteil hat meinen Tag verschönert!» Nach fast zwei Jahren hat das Arbeitsgericht des Bezirks Broye und des Waadtländer Nordens ihren Chef verurteilt wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Der Patron des Fastfood-Restaurants, in dem sie über zwei Jahre gearbeitet hat, muss ihr jetzt nachträglich ein Monatsgehalt auszahlen, plus mehrere Tausend Franken, die sich aus fehlerhaften Berechnungen ihres Gehalts ergeben hatten. «Das ist ein erster Schritt nach vorne», sagt die alleinerziehende Mutter. «Ich habe es auch für meinen Sohn getan und um alle Frauen zu ermutigen, re­spektiert zu werden und wenn nötig zu kämpfen.» Jovic bleibt aber vorsichtig. Sie ist sich nicht sicher, ob ihr ehemaliger Chef Berufung gegen dieses Urteil einlegen wird. Die Unia ihrerseits wartet auf die Begründung des Urteils, da die Höhe der Zahlungen tiefer ist als gefordert. Trotzdem ist das Urteil ein Etappensieg. Denn Urteile wegen unrechtmässiger Kündigungen sind selten (siehe Spalte unten).

30-KILO-SÄCKE

Die Probleme begannen Anfang 2021, als Aleksandra Jovic ihrem Chef eröffnet, sie sei schwanger. Auf Anraten ihres Gynäkologen bittet die junge Frau den Patron um eine Analyse der Risiken an ihrem Arbeitsplatz. Der Grund: Stromkabel, die ins Wasser eines Geschirrspülers hinabhängen, Fett auf der Treppe und eine kaputte Lüftung. Ausserdem kündet sie ihrem Chef an, dass sie aufgrund ihrer Schwangerschaft künftig keine 30-Kilo-Säcke Kartoffeln mehr heben werde. Dazu Unia-Frau Tamara Knezević: «Die Bitten der werdenden Mutter sind völlig legal, und der Chef ist verpflichtet, ihnen nachzukommen.»

Bis die Sicherheitsmängel behoben sind, schreibt der Gynäkologe Aleksandra Jovic für einen Monat krank. Statt in dieser Zeit die Probleme anzugehen, nimmt der Restaurantchef jedoch eine eigene Einschätzung der Risiken vor und kommt zum Schluss, dass es keine gebe. Aus diesem Grund bezahlt er Jovic den Lohn für den Monat nicht, in dem sie krank geschrieben war.

«Ich habe es auch für meinen Sohn getan — und um alle Frauen zu ermutigen.»

PATRON MUSS KLEIN BEIGEBEN

Wenige Wochen nach der Geburt des Kindes eskaliert die Situation. Aleksandra Jovic befindet sich noch im Mutterschaftsurlaub, als der Arbeitgeber sie zum ersten Mal entlässt. Unia-Frau Knezević: «Ganz klar eine unrechtmässige Kündigung. Die Entlassung einer Mitarbeiterin während der Schwangerschaft und bis 16 Wochen nach der Geburt ist gesetzlich verboten.» Der Patron muss klein beigeben. Genauso ungültig ist die zweite Kündigung, die in eine Zeit fällt, in der Jovic krank geschrieben ist. Auch hier ist das Gesetz klar: Bei Krankheit beträgt die Sperrfrist für Kündigungen im 2. Dienstjahr 90 Tage.

Einige Wochen später flattert die dritte Kündigung ins Haus. Die offizielle Begründung: Umstrukturierung im Betrieb. Später wird der Restaurant-Patron vor Gericht leugnen, Jovic aufgrund ihrer Mutterschaft entlassen zu haben, obwohl er bereits eine Person eingestellt hat, um Jovic zu ersetzen. Und hier nun schafft das Gericht Klarheit und verurteilt den Patron wegen diskriminierender Kündigung.

SEXISMUS IN DER BRANCHE

Unia-Frau Knezević prangert den systematischen Sexismus und sexuelle Belästigung in der Branche an und den fehlenden Willen, diesen Missstand zu bekämpfen. Kneze-
vić erinnert auch daran, dass es in der Branche mehrheitlich Frauen gebe, dass diese schlecht bezahlt würden und sich oft in prekären Situationen befänden. Sie hofft, dass das Beispiel von Aleksandra ­Jovic andere Frauen ermutigt. «Es war ein langer Kampf, aber es hat sich gelohnt.»

*Dieser Artikel erschien zuerst in der französischsprachigen Unia-Zeitung «L’Evénement Syndical» und erscheint hier in einer leicht abgeänderten Version.


Kündigungen Mutterschaft als Risiko

Seit mehr als vierzig Jahren verbietet die Verfassung jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Trotzdem ergab eine Studie im Jahr 2018, dass elf Prozent der frischgebackenen Mütter entlassen wurden oder der Arbeitgeber vorschlug, das Arbeitsverhältnis «im gegenseitigen Einvernehmen» zu beenden.

HÜRDEN. Öfter kommt es zum Vergleich als zur Klage. Erst 126 Urteile in Fällen von diskriminierender Kündigung sind auf der Plattform gleichstellungsgesetz.ch zum Thema Mutterschaft publiziert. Die Hürden, um die Gleichstellung vor Gericht erfolgreich durchzusetzen, sind nach wie vor hoch. Auch, weil die Gerichte das Gleichstellungsgesetz zu wenig gut kennen.

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