In Branchen, in denen viele Frauen arbeiten, sind die Löhne meist tief. In der Gastronomie, wo mehr als die Hälfte der Beschäftigten weiblich sind, verdienen rund vier von fünf Frauen mit einem Lehrabschluss weniger als 5000 Franken im Monat (x 13, auf eine 40-Stunden-Woche umgerechnet). Bei den Supermärkten, wo knapp sieben von zehn Beschäftigten Frauen sind, verdienen rund 75 Prozent der Frauen trotz Lehre weniger als 5000 Franken. Umgekehrt sind in klassischen Männerbranchen weniger Frauen mit tiefen Löhnen zu finden. Im Hochbau, wo nur eine Frau auf neun Männer kommt, verdient nur eine von drei Frauen mit Lehre einen Tieflohn.
ARBEIT ABGEWERTET. Doch warum bezahlen sogenannte Frauenbranchen schlechter? Sicher ist: Arbeitgebern fällt es hier leichter, die Betreuungsarbeit, die nach wie vor vor allem Frauen stemmen, auszunutzen. Um sich um Kinder oder um kranke Angehörige kümmern zu können, sind Frauen stärker auf Teilzeit und einen nahe gelegenen Arbeitsort angewiesen. Das schränkt die Auswahl an möglichen Tätigkeiten ein – und die Chefs bekommen die Macht, die Löhne zu drücken. In klassischen Männerbranchen ist das anders: Dort nehmen die Chefs weniger Rücksicht auf Betreuungspflichten. Anstatt das ganze Lohnniveau zu drücken, passiert es hier deshalb eher, dass Einzelne diskriminiert werden.
Die Löhne in den sogenannten Frauenbranchen sind aber auch deshalb tiefer, weil klassische Frauenarbeit abgewertet wird. Etwa die Kinderbetreuung: So haben Kita-Mitarbeitende eine anspruchsvolle Tätigkeit und viel Verantwortung. Trotzdem verdienen sie schlecht. Schlicht, weil wir als Gesellschaft dieser unerlässlichen, aber als weiblich verstandenen Arbeit nicht ausreichend Geld zur Verfügung stellen.
KEIN NATURGESETZ. Dabei sind tiefe Frauenlöhne kein Naturgesetz. So sind etwa in Betrieben der öffentlichen Hand die Löhne besser. Und dort arbeiten viele Frauen. Beispielsweise im Gesundheitswesen, in der Bildung oder auch in öffentlichen Kindertagesstätten. Der Grund: Dank öffentlicher Finanzierung gibt es mehr Geld für diese Arbeit, und feste Lohnsysteme geben den Rahmen vor. Klar ist deshalb: Auch in andere Frauenbranchen muss mehr Geld fliessen. Zudem müssen wir die Macht der Chefs einschränken. Dafür braucht es starke Gewerkschaften, aber auch eine bessere Verteilung der Betreuungsaufgaben – unter anderem dank ausreichenden und gut finanzierten Kita-Plätzen.
David Gallusser ist Ökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).