Marius Käch ist Bauarbeiter in Zürich und Gewerkschafter.
«Unser gemeinsames Interesse ist es, dass eine ausgeglichene Work-Life-Balance künftig einfacher und individuell flexibler erreicht werden kann.» Mit diesen schönen Worten ging der Baumeisterverband vor einem Jahr auf den Baustellen hausieren. Was er eigentlich wollte, war der 12-Stunden-Tag. Das haben die Bauleute sofort durchschaut. Und dank unserem Zusammenhalt und den vielen Demonstrationen und Streiks konnte dieser Frontalangriff abgewehrt werden.
Nun, nach all den Verhandlungen mit den Bauchefs, ist für mich der Moment gekommen, das Wort der Meister auf den Prüfstein zu legen. Schliesslich haben sie in den Vertragsverhandlungen stets salbungsvoll von «gemeinsamen Interessen» geredet. Zudem haben sie immer den Willen betont, junge Fachkräfte mit flexibleren Arbeitszeiten anzulocken.
«NUR SO WENIG?» Ich möchte nämlich eine berufsbegleitende Weiterbildung machen. Dafür habe ich als gelernter Maurer eine zeitlich begrenzte 80-Prozent-Stelle gesucht. Also etwas nur minim «Flexibleres». Und damit eigentlich genau das, was die Baumeister in den LMV-Verhandlungen als Modell der Zukunft angepriesen haben.
Jedenfalls hat in den letzten Monaten praktisch jede Baufirma des Kantons Zürich meine Bewerbung erhalten. Auch Temporärbuden habe ich kontaktiert. Nach Dutzenden Mails und Briefen sind die ersten Antworten eingetrudelt. Die Rückmeldung war überall dieselbe: «Nein, so etwas wie eine Teilzeitstelle gibt es im Bauhauptgewerbe nicht.»
Der eine oder andere Chef konnte sich dann auch einen dummen Kommentar nicht verkneifen: «So was sehen wir im Fall gar nicht gerne!» Oder: «Warum denn nur so wenig schaffen?»
EINER WENIGER. Wohl oder übel musste ich lernen: Nein, das Interesse der Baumeister ist zu keinem Moment mehr Freiheit und Selbstbestimmung für uns Bauleute. Die «Flexibilität», die sie meinen, bedeutet etwas ganz anderes: Hochschrauben der Arbeitszeit, Arbeit auf Abruf und am liebsten auch noch Wochenend- und Nachtarbeit.
Aber meine Fortbildung ist mir wichtig. Ich will sie jetzt machen, nicht irgendwann. Daher hatte ich keine Wahl. Meinen geliebten Maurerberuf musste ich an den Nagel hängen. Zumindest vorerst. Dank der «Flexibilität» der Meister! Jetzt arbeite ich 80 Prozent als Ausgräber in der Archäologie. Dem Bau aber fehlt ein weiterer Facharbeiter. Und glaubt mir: Mit dieser Erfahrung bin ich bei weitem nicht alleine!