Alles wird teurer, nur Löhne und Renten sinken real. Die Gewerkschaften geben Gegensteuer: in den Betrieben, in den Branchen, in den Parlamenten, an den Urnen – und auf der Strasse.
IMMER TEURER: Die Schweizer Lebensmittelpreise sind innert Jahresfrist um 5,3 Prozent gestiegen (Stand Mai). (Foto: iStock)
In den Jahren mit wenig oder keiner Teuerung war der Kaufkraftverlust der Lohnabhängigen schleichend. Nicht weitergegebene Produktivitätsgewinne und steigende Krankenkassenprämien liessen das verfügbare Einkommen schmelzen. Mit der Rückkehr der Teuerung hat sich die Situation der Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen massiv verschärft. Die realen Einkommen sinken immer schneller, und jetzt steigen auch noch die Mieten massiv. Das reisst in Hunderttausende Haushaltskassen schmerzhafte Löcher.
Sinkende Kaufkraft wirkt sich auf die ganze Wirtschaft aus.
IMMER MEHR «OFFIZIELL ARM»
Wer bereits in knappen Verhältnissen lebte, rutscht jetzt definitiv unter die Armutsschwelle (2289 Franken pro Monat für eine Einzelperson und 3989 Franken pro Monat für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren). Seit einem Jahrzehnt steigt die Zahl der «offiziell Armen» stetig an.
Für das Jahr 2021 (aktuellstes verfügbares Jahr) meldet der Bund 745 000 armutsbetroffene Menschen. Die Tendenz ist weiter steigend. Abzulesen ist das etwa an den Menschen, die in den Caritas-Märkten vergünstigte Lebensmittel einkaufen müssen: Im ersten Quartal 2023 verzeichneten die 22 Caritas-Märkte fast 40 Prozent mehr Einkäufe als im Vorjahr – und 2022 war bereits ein Rekordjahr.
Jetzt vormerken: Demo am 16. September
Auf den 16. September hin mobilisieren die Gewerkschaften zur nationalen Kaufkraft-Demo in Bern. Am besten das Datum gleich gross im Kalender anstreichen!
In den vergangenen Jahren sind die Ausgaben für Wohnen, die Gesundheit und die allgemeine Lebenshaltung derart gestiegen, dass auch Haushalte mit mittleren Einkommen zunehmend unter Druck geraten. Wer den Schweizer Medianlohn (die Hälfte verdient mehr, die andere weniger) von rund 6660 Franken verdient, hat real pro Jahr 2500 Franken weniger im Portemonnaie (siehe Seite 13 unten). Das ist ein ernstes Problem für die Haushalte. Die Menschen können weniger ins Restaurant, zur Coiffeuse, und sie können weniger beim Gewerbe ausgeben.
So wird das «private» Problem zum Problem für die gesamte Volkswirtschaft. Denn 63 Prozent des Bruttoinlandprodukts der Schweiz stammen aus dem Konsum der privaten Haushalte. Wenn die Kaufkraft von Löhnen und Renten sinkt, leiden besonders die kleinen und mittleren Unternehmen, die 99,7 Prozent der Schweizer Firmen ausmachen.
PROBLEME LÖSEN
Die Gewerkschaften nehmen diese Entwicklung nicht tatenlos hin. Sie setzen sich mit voller Kraft für die Kaufkraft ein. Und sie haben auch Lösungen parat für Lohnabhängige, Renterinnen und Rentner. Sie setzen an verschiedenen Orten an, wie eine von den SGB-Delegierten verabschiedete Resolution klarmacht:
In den Betrieben und Branchen
- Für den vollen Ausgleich der Teuerung und für Reallohnerhöhungen, um den Lohnrückstand der letzten drei Jahre wettzumachen.
- Für einen Monatslohn von mindestens 5000 Franken für alle, die eine Lehre abgeschlossen haben.
- Für einen Mindestlohn von 4500 Franken für jeden 100-Prozent-Job.
In den Parlamenten, auf der Strasse und an der Urne
- Für eine 13. AHV-Rente und gegen die geplanten Rentensenkungen im BVG. Diese beiden Abstimmungen vom nächsten Frühling sind zentral für Lohnabhängige wie für die Rentnerinnen und Rentner.
- Für bezahlbare Krankenkassenprämien für alle: Kein Haushalt soll mehr als 10 Prozent des Einkommens für die Kassenprämien ausgeben müssen.
- Für mehr bezahlbare Wohnungen dank der Förderung von gemeinnützigem Wohnungsbau und dank regelmässiger offizieller Prüfung, ob die zulässigen Mietrenditen nicht überschritten werden.
- Für den vollständigen Ausgleich der Teuerung auch bei Stipendien und Sozialleistungen.