Unter der Umverteilung von unten nach oben leiden Niedrig-Verdienende schon lange. Jetzt trifft sie auch die Mittelschicht mit voller Wucht. Das ist kein Naturgesetz, sondern die Folge bürgerlicher Politik. Zum Beispiel bei den Pensionskassen.
UNSANFTES RUHEKISSEN: Zu tiefe Mindestzinsen lassen die Vermögen der Pensionskassenversicherten schrumpfen. (Foto: Keystone / Getty)
Das Pensionskassensystem kann die einst von der Finanzindustrie gemachten Versprechen schon längst nicht mehr halten. Für immer höhere Lohnabzüge gibt es immer weniger Rente. Besonders schlecht dran beim BVG sind Frauen und Geringverdienende. Jetzt hat die bürgerliche Parlamentsmehrheit aus einer angekündigten Revision eine milliardenteure Abbauvorlage gezimmert, bei der alle verlieren – ausser der Finanzindustrie. Die Gewerkschaften haben dagegen das Referendum ergriffen. Das Volk wird das letzte Wort haben.
Der Mindestzins ist seit Jahren zu tief.
ES LIEGT AM SYSTEM
Doch die offenen Angriffe sind das eine. Weniger sichtbar, aber für die Versicherten mindestens so schmerzhaft sind die im Pensionskassensystem eingebauten Angriffe auf ihr Einkommen und auf ihr Altersguthaben. Neben völlig überhöhten Spesen und Kosten, die ihnen von Banken, Versicherungen und Brokern seit Jahrzehnten unter unterschiedlichsten Bezeichnungen abgeknöpft werden, ist der Mindestzinssatz der Guthaben ein zentraler Punkt. Ursprünglich eingeführt, damit die Finanzindustrie die Anlageerträge auch tatsächlich den Versicherten weiterleitet, ist er zu einem weiteren Selbstbedienungsinstrument der Banken und Versicherungen geworden. Er ist seit Jahren systematisch zu tief und hinkt den tatsächlich erzielten Renditen massiv hinterher. Das heisst: die Versicherten schauen in die Röhre, in den Chefetagen und beim Aktionariat der Banken und Versicherungen klingeln die Kassen. Denn einzig den Mindestzinssatz im Obligatorium müssen die Pensionskassen wirklich bezahlen, alles andere ist quasi freiwillig.
KARTELL DER ABKASSIERER
Die Höhe des Mindestzinssatzes legt der Bundesrat auf Empfehlung der ausserparlamentarischen BVG-Kommission fest. Diese – die Vertreter der Finanzindustrie und der Arbeitgeber haben eine erdrückende Mehrheit – legt jetzt einen Zinssatz von 1,25 Prozent vor. Der liegt noch unter der Teuerung. Selbst im zweiten Jahr, nachdem die Zinsen deutlich gestiegen sind, will die BVG-Kommission die Verzinsung also auf einem extrem tiefen Niveau belassen. Damit verlieren die Altersguthaben der Versicherten weiter an Wert, am Ende des Arbeitslebens resultieren noch kleinere Renten. Die Gewerkschaften verlangen vom Bundesrat, die Mickrig-Empfehlung von 1,25 Prozent der BVG-Kommission zu ignorieren und den Mindestzinssatz für die Pensionskassen auf 2 Prozent festzulegen. Bei einem Altersguthaben in der Pensionskasse macht das 750 Franken aus, die entweder bei den Lohnabhängigen landen oder in den Kassen der Finanzindustrie.
Übrigens: Die mit einer faktischen Staatsgarantie ausgestattete UBS zahlt aktuell 1,75 Prozent Zins für Festgeld auf ein Jahr. Und ebenso viel bezahlt die Schweizerische Nationalbank für Geld, das Banken bei ihr parkieren.
Der Artikel enthält irreführende Informationen:
1. Er weckt den Eindruck, die Lohnabzüge seien Kosten, wie von den Gewerkschaften sogar explizit behauptet wird. In Wahrheit aber bleibt einem dieses Geld erhalten, denn es wird Teil des Altersguthabens, aus dem dann später die Rente finanziert wird. Und weil die Pensionskassen das Geld gewinnbringend anlegen, könnte man vom persönlichen Sparkonto sprechen, auf das es mindestens den Mindestzins gibt.
2. Er erweckt den Eindruck, die Pensionskassen würden nur den Mindestzins gutschreiben. In Wahrheit jedoch haben sie in den vergangenen Jahrzehnten immer deutlich mehr gutgeschrieben. Das macht auch Sinn, weil alles Geld in einer Pensionskasse den Versicherten gehört.
3. Er erweckt den Eindruck, BVG-Mindest-Umwandlungssatz und Mindestzins könnten beliebig hoch sein. Aber… dass Pensionskassen bei ca. 14% der Versicherten nicht sämtliche Renditen in Form eines Zinses gutschreiben können, liegt daran, dass der BVG-Mindest-Umwandlungssatz nicht mehr der heutigen Lebenserwartung entspricht, so dass ein Teil der Renter/innen quersubventioniert werden muss. Wird der BVG-Mindest-Umwandlungssatz gesenkt, kann auch wieder mehr Zins gutgeschrieben werden (noch mehr…)