Corona machte den Reederei-Milliardär Rodolphe Saadé noch reicher. Die Frauen, die in seiner Firma Ceva Zalando-Retouren auspacken und sortieren, haben nichts davon
Der Familie Saadé geht es gut. Ihre Firma, vor 45 Jahren von Vater Jacques in Marseille gegründet, ist über die Jahre zur drittgrössten Containerschiff-Reederei der Welt aufgestiegen. Das Unternehmen mit dem sperrigen Namen CMA CGM ist heute Hauptsponsor des Fussballklubs Olympique Marseille. Das Logo der Tochterfirma Ceva prangt auf den Formel-1-Rennautos von Ferrari.
Firmenboss ist Rodolphe Saadé (53), Sohn des Gründers. Zusammen mit seinen zwei Geschwistern besitzt er gut 70 Prozent der Aktien. 2021 betrug ihr geschätztes Vermögen 6 Milliarden Euro. Dann kam Corona und jagte die Frachtpreise in die Höhe. Und damit den Gewinn der Reedereien. Das Vermögen der Saadés explodierte: von 6 Milliarden auf 36 Milliarden Euro. 2023 kamen noch einmal 3 Milliarden dazu.
Anderthalb Minuten Zeit pro Zalando-Paket.
ZALANDO. Zu diesem Reichtum beigetragen hat Semra Morina*. Sie arbeitet im solothurnischen Neuendorf für die Firma Ceva, Teil des Saadé-Imperiums. Sie öffnet Zalando-Pakete, die von der Kundschaft zurückgeschickt wurden. «Dann kontrolliere ich, ob die Kleider im Originalzustand sind oder ob sie anprobiert wurden.» Anderthalb Minuten hat sie dafür Zeit. Über ein ähnliches Zalando-Retourenzentrum in der Ostschweiz berichtete work schon 2017. In Neuendorf beschäftigt die Ceva bis zu 450 Mitarbeitende, die Mehrheit ist nur temporär angestellt. 96 Prozent davon sind Frauen.
UNTERIRDISCH. Von den Milliardengewinnen der Familie Saadé merken sie nichts: Ihr Monatslohn beträgt nicht einmal 3500 Franken brutto. Das zeigen Lohnabrechnungen, die work vorliegen. Und einen 13. Monatslohn gibt’s auch nicht. Roman Künzler, Unia-Branchenleiter Logistik, rechnet vor: «Das ergibt einen Stundenlohn von nur gerade 21 Franken. Das ist weit unterhalb des branchenüblichen Lohnes!» Er kennt die Zahlen: Die Grossverteiler und die meisten Online-Händler zahlen auch Ungelernten über 4000 Franken brutto – und den Dreizehnten. Das ergibt Stundenlöhne zwischen 27 und 32 Franken.
Jetzt wollen sich die Ceva-Leute ihren miesen Lohn nicht mehr gefallen lassen: 166 von ihnen unterzeichneten einen Brief, der die Firma auffordert, über bessere Löhne zu verhandeln. Doch die Chefs lehnten ab. Denn für dieses Jahr hätten alle Mitarbeitenden 2 Prozent Lohnerhöhung plus eine einmalige Zahlung wegen der Teuerung erhalten.
Langsam wächst in Neuendorf der Frust. Dazu Unia-Mann Künzler: «Bisher haben die Ceva-Mitarbeitenden anständig gefragt. Aber wenn das nichts bringt …»
*Name geändert