Der jährlich von der Credit Suisse publizierte «Global Wealth Report» rechnet vor, dass die in der Schweiz lebenden erwachsenen Personen mit über 603 000 Franken das höchste Durchschnittsvermögen der Welt aufweisen. Dies weit vor den USA, die an zweiter Stelle liegen, und allen anderen Ländern. Zweifellos ist die Schweiz eines der wohlhabendsten Länder der Welt. Die CS-Studie relativiert dies jedoch gleich selbst wieder: Der Reichtum ist in der Schweiz sehr ungleich verteilt. Deshalb liegt das mittlere Vermögen dann nur noch bei etwas mehr als 167 000 Dollar. Das mittlere Vermögen (Median) ist derjenige Wert, der genau in der Mitte liegt, das heisst 50 Prozent der Erwachsenen besitzen weniger als 167 000, 50 Prozent besitzen mehr. So gerechnet liegt die Schweiz nur noch an sechster Stelle. Also zum Beispiel hinter Belgien, Dänemark und Neuseeland, deren Reichtum gleichmässiger verteilt ist.
BVG-TRICK. Auf der Basis der neusten Vermögensstatistik der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) kommt man allerdings nochmals auf ganz andere Werte. Der Hauptgrund dafür ist, dass die CS-Studie die Pensionskassenguthaben als Privatvermögen einbezieht. Das ist fragwürdig, weil die zweite Säule in der Schweiz ein gesetzlicher Bestandteil der Altersvorsorge ist und die Arbeitnehmenden vor der Pensionierung nicht darüber verfügen können. Die ESTV-Statistik basiert hingegen auf dem Reinvermögen aus der Steuerveranlagung, also ohne PK-Guthaben. So sinkt das Durchschnittsvermögen pro erwachsene Person auf 311 000 Franken, im Vergleich mit der CS-Studie etwa die Hälfte. Und da sich in der Schweiz rund drei Viertel des Vermögens bei den reichsten 5 Prozent der Bevölkerung konzentrieren, bleibt für die grosse Mehrheit von 95 Prozent der Bevölkerung nicht mehr so viel übrig: Deren Vermögen beträgt durchschnittlich rund 100 000 Franken.
LETZTE RESERVEN WEG. Und in der unteren Hälfte der Wohlstandspyramide? Ohne Berücksichtigung der PK-Vermögen besitzen über die Hälfte der Erwachsenen gar nichts, sind verschuldet oder haben nur wenige Ersparnisse. Im Durchschnitt ergibt dies für 55 Prozent der erwachsenen Bevölkerung nur rund 7500 Franken Vermögen. Jetzt, angesichts Teuerung, steigender Mieten, Krankenkassenprämien und Strompreise kann sich das fatal auswirken: Eine Mehrheit der Bevölkerung hat keine Reserven, wenn die Kaufkraft sinkt und der Lohn knapp wird.
Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.
Sehr gut. Der Beitrag zeigt klar und deutlich die extrem ungerechte Vermögensverteilung in der Schweiz.