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Zirkusartistin Lea Hunzinger (24): «Es gibt nie zu viel Glitzer! »

Fragt man Lea Hunzinger, als was sie arbeitet, fallen ihr mindestens zehn komplett verschiedene ­Tätigkeiten ein. Im Theaterzirkus ­Wunderplunder ist sie die talentierte Alleskönnerin.

MEHR ALS EIN FULLTIME-JOB: Zirkusartistin, Fahrerin, Lichttechnikerin und Näherin Lea Hunzinger (24). (Foto: Severin Novacki)

Manege frei für Lea Hunzinger: Als Teil des elfköpfigen Teams vom Theaterzirkus Wunderplunder gehört sie zu einer sehr bunten und etwas mysteriösen Welt. Hinter den Kulissen ist die Zirkuswelt weniger glamourös. Die Arbeit ist streng, die Tage lang, der Lohn tief. Doch was ist Hunzingers Motivation für den Job? «Es sind die faszinierten Kinderaugen, die Zusammenarbeit mit kreativen Köpfen und das Leben auf Rädern», sagt die 24jährige.

Hunzinger ist vor etwas mehr als drei Jahren per Zufall auf das Inserat vom ­Theaterzirkus Wunderplunder gestossen. Davor hat sie eine Berufslehre als medizinische Praxisassistentin absolviert und anschliessend bei einer Notfallpraxis gearbeitet. «Mir hat die Arbeit gefallen, doch ich hatte Mühe mit den Hierarchien. Als MPA ist man immer der Sündenbock. Entweder sind die Patienten unzufrieden oder die Ärztinnen», sagt sie. Die Berufswahl traf sie als Teenager mehr aus praktischen Gründen als aus Überzeugung. Denn in der Schule war sie schon immer gerne kreativ, mochte es, in der Natur zu sein und Abenteuer zu erleben. Eines Tages merkte sie: «Ich muss hier raus.» Also tauschte sie die Notfallpraxis gegen die Zirkusmanege.

LICHT UND GLITZER. «Als Kind war ich nie im Zirkus, ich wuchs streng christlich auf», sagt sie. Doch eine gute Freundin von ihr sagte ihr immer wieder, dass sie doch gut in einen Zirkus passen würde. Und so bewarb sie sich spontan auf den Allrounderinnen-Job bei Wunderplunder. Und die Zusage kam wie ein kleines Wunder: «Ich hatte ja weder Erfahrung im Zelt­aufbau noch mit Kindern und schon gar nicht mit Magie!»

Doch der Theaterzirkus entscheidet im Bewerbungsprozess nicht nur nach den Fähigkeiten, sondern sucht die passende Persönlichkeit. Immerhin verbringt die elfköpfige Truppe sehr viel Zeit miteinander, und da muss die Chemie stimmen. Wer Teil von Wunderplunder wird, gibt sein 08/15-Leben auf. Von Frühsommer bis Spätherbst tourt der Zirkus im Raum Bern und Umgebung umher.

Dabei gibt es zwei Standbeine: einerseits das Theater, das immer mittwochs durch das Wunderplunder-Team aufgeführt wird. Und andererseits die Erarbeitung eines Zirkusstücks innerhalb einer Projektwoche. Das heisst: Wunderplunder steht jede Woche an einem anderen Ort und studiert mit Kindern oder Erwachsenen mit Behinderungen ein Zirkusstück ein. Die Teilnehmenden werden nach Disziplinen wie Feuer oder Luft in Gruppen aufgeteilt. Am Freitag wird das Zirkusstück zweimal aufgeführt, und danach zieht das Wunderplunder-Team schon wieder weiter.

Seit Lea Hunzinger beim Wunder­plunder arbeitet, hat sie viel Verschiedenes gelernt. «Plötzlich kann ich mit Scheinwerfern und Lichtern umgehen, Glitzerpailletten an bunte Westen nähen oder mit Kindern kreativ sein», sagt sie. «Glitzer gibt’s nie zu viel!»

SAMSTAGS REISEN, SONNTAGS RUHEN. Die Artistinnen und Artisten leben in selbstgebauten Wohnwagen. Mit im Schlepptau ist auch ein Wagen, der mit Küche und grosser Tafel als «Gemeinschaftswagen» dient. Ist ihre Tour im Herbst vorbei, arbeiten sie trotzdem weiter: Sie waschen das Zirkuszelt, nähen neue Kostüme, warten die Fahrzeuge und studieren neue Stücke ein. «Mein Arbeitspensum ist sicherlich weit über 100 Prozent. Doch die Arbeit hier beim Wunderplunder ist viel mehr als nur ein Job», sagt Hunzinger. Momentan ist es ihr Leben.

Samstags ist immer Reisetag. Da bricht der Theaterzirkus mit sechs Traktoren und einem LKW auf – jedes Fahrzeug zieht dabei zwei grosse Wagen. Eine schwere Last, weshalb der Zirkus nur auf Landstrassen und ganz gemächlich unterwegs sein kann. Auch Hunzinger sitzt am Steuer, seit dieser Saison fährt sie den alten LKW. «Dieses Fahrzeug fasziniert mich. Obwohl das Tempo bescheiden ist, gibt mir jede Fahrt ein Freiheitsgefühl», sagt sie.

Angekommen am neuen Ort, richtet die Truppe das Nötigste ein. Am Sonntag ist Ruhetag, da arbeitet auch der Zirkus nicht. «Sonntags habe ich Zeit für mich. Ich treffe Freunde, wenn wir irgendwo in der Nähe stehen, oder unternehme gerne auch etwas allein. Zum Beispiel einen Spaziergang oder einfach mal in meinem Wagen für mich sein», sagt sie. Denn ist man täglich immer unter Menschen, braucht man an den freien Tagen auch mal seine Ruhe.

Und der Lohn? «Wir verdienen seit kurzem 1500 Franken im Monat. Es gab die erste Lohnerhöhung von 300 Franken seit knapp 30 Jahren», sagt Hunzinger. Denn auch der Zirkus spürt die Teuerung. Mit diesem Lohn kommt die Künstlerin gut über die Runden. «Ich zahle keine Miete, weil ich in meinem Wagen wohne, und auch für das Essen ist gesorgt», sagt Hunzinger. Die Arbeit beim Wunderplunder ist für die 24jährige ein aufregendes Abenteuer, doch ganz klar eine temporäre Haltestelle. Zukunftspläne hat sie nämlich noch ganz viele.


Lea Hunzinger Studentin, Kräuter­hexe oder Pflegemami

«Die Arbeit mit den Kindern macht mir Spass, deshalb könnte ich mir vorstellen Sozialpädagogik zu studieren. Aber davor würde ich gerne noch reisen. Peru wäre ein grosser Traum!» Denkt sie weiter über ihre Zukunft nach, könnte sie sich vorstellen, als Strassenkünstlerin ihr Geld zu verdienen, mal in der Gastronomie zu jobben oder «einfach Kräuterhexe zu sein». Am liebsten in einem Haus mit grossem Garten und vielen Pflegekindern.

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