Wir versuchen zu begreifen, warum die Schweizer Post Wald im ostdeutschen Thüringen von einem alten Adeligen gekauft hat. War das ein schlauer Schachzug? Oder gäbe es sinnvollere Alternativen in den Schweizer Alpen?
VERGOLDET: Michael-Benedikt Prinz von Sachsen-Weimar-Eisenach verkauft der Schweizer Post für 60 Millionen Franken ehemaligen Staatswald der DDR. (Foto: Imago)
Vom schwerreichen Michael-Benedikt Prinz von Sachsen-Weimar-Eisenach hat die Schweizer Post kürzlich Wald für 60 Millionen Franken gekauft. Wie der Prinz deutschen Medien erklärte, gehörte der Wald bis zur Enteignung durch das DDR-Regime seinem Vater. Nach der Wende kaufte er den Wald für ein lächerliches Butterbrot zurück. Als Grund für den jetzigen Verkauf gab der 76jährige an, er wolle seiner Familie «keine Probleme hinterlassen».
Da kommt ihm die Schweizer Post gerade gelegen, die beabsichtigt, schon bis 2040 klimaneutral zu werden. Und der Waldkauf ist eine indirekte Massnahme zu diesem Ziel. Die Post verspricht, den Wald zu bewirtschaften und unter anderem Bauholz zu verkaufen.
Mit anderen Worten: Der Wald bleibt erhalten. Er würde aber auch nicht verschwinden, wenn ihn die Post nicht kaufen würde. Wälder sind Bestandteil der deutschen Seele und deshalb bestens geschützt. Erst recht in dem von alten und neuen Nazis verseuchten Thüringen.
Kann man im Thüringer Wald vielleicht Höhenwindräder aufstellen? Und führte das die Post gerade in den Thüringer Wald? Ein Blick auf die deutsche Windkarte zerschlägt auch diese mögliche Erklärung. Das Rätsel bleibt ungelöst.
PELLETS. Im Gegensatz zu Deutschland wächst der Wald in der Schweiz. Nicht im Mittelland, aber im Alpenraum. Die zwei wichtigsten Gründe: Die Waldgrenzen wandern, vorab wegen der Klimaerwärmung, weiter nach oben. Immer weniger Alpen werden – auch wegen des Wolfs – noch besömmert.
Viele Ökologinnen und Ökologen warnen uns drum: Mehr Wald bedeute weniger Biodiversität. Dagegen würden mehr alpine Solaranlagen mehr Biodiversität bedeuten. Die Meinungen sind geteilt. Nur eines ist sicher: das Walliser Saflischtal ob Grengiols ist am Verwalden. Und dort, auf 2500 Metern über Meer, soll das grösste Solarprojekt der Schweiz gebaut werden. Wenn es denn die Gegnerinnen und Gegner nicht abmurksen.
Versuchen wir zu begreifen, was mehr Wald in den Alpen bedeutet. Wald in den Alpen ist mehrheitlich Schutzwald. Pro Hektare Wald in den Alpen kann man jedes Jahr zehn Kubikmeter Wald ernten oder auch stehen lassen. Beides ist ökologisch vergleichbar sinnvoll, wenn der Wald nicht überaltert.
Ein Kubikmeter Wald ist auf dem Markt 50 Franken wert. Das Fällen unter schwierigen Bedingungen wird vor allem vom Bund mit 100 Franken pro Kubikmeter subventioniert.
Ein Kubikmeter Holz, den man zu Pellets verarbeitet, enthält so viel Energie wie 200 Liter Heizöl. Pellets-Kraftwerke, die Strom und Wärme im Winter produzieren, sind vielleicht gar nicht das Dümmste. Aber sie müssen beste Filter aufweisen, sonst erhöht sich der tödliche Feinstaub in der Luft. Holz ist heimelig. Aber Holz verbrennen ist immer auch etwas unheimelig. Wetterfrosch Jörg Kachelmann warnt in höchsten Tönen davor (siehe blaue Box).
MEHR SCHWEIZER HOLZ. Beim Holzschlag in den Alpen kommen immer öfter Helikopter zum Einsatz. Das ist aber nicht gerade billig. Beginnen wir mit den Zahlen:
Eine Minute Flug mit dem Helikopter kostet in der Schweiz 30 Franken. Die gleiche Minute Helikopterflug kostet in Deutschland umgerechnet die Hälfte. Sobald Elektrohelikopter oder senkrecht startende und landende Flugmaschinen kommen, werden sich diese Preise für den Holzschlag mindestens halbieren.
Nach vorne gedacht bedeutet dies: Wir werden das Holz in Zukunft viel günstiger aus den Gebirgswäldern rausholen können.
Vielleicht müsste die Postfinance einen Fonds schaffen für mehr Schweizer Holz. Und die Post könnte einen gleich hohen Betrag, wie sie in Thüringen bezahlt, in neu entstehende Waldflächen investieren. Und dann vergleichen. Der Vorteil: Die Schweizer Schutzwälder gehören nicht Adligen, sondern Gemeinden, Geteilschaften und Burgerschaften. Also dem alpinen Volk.
Links zum Thema:
- rebrand.ly/brennholz In der Fachzeitschrift für Schweizer Landwirtschaft, dem «Schweizer Bauern», kam Wetterfrosch Jörg Kachelmann wie folgt zu Wort: Brennholz und Pellets seien eine Katastrophe für Mensch, Umwelt und Klima und genauso klimaschädlich wie Kohle, Gas und Öl. Im Winter sammelten sich die ausgestossenen Schadstoffe in der Luft. «Wie sehr gelogen wird, was das betrifft, und dass Menschen all diesen Blödsinn von Waldbesitzern glauben, die unsere Zukunft aufs Spiel setzen, ist sehr beelendend», so Kachelmann.
- rebrand.ly/holzbauten Sinnvoller als Holz verbrennen ist mit Holz bauen. Holzbauten halten während Jahrhunderten. Sie sind erdbebensicherer als Betonbauten. Und blasen das CO2 nicht in die Luft, im Gegensatz zu Verbrennungsprozessen.