work-Wissen
Die Hitze und das glühende Eisen brennen sich in unsere Augen

Eindrückliche Schwarzweiss­fotos waren sein Metier. Doch Fotojournalist Werner Bischof konnte es auch in Farbe. Und wie! Das zeigt jetzt eine tolle Ausstellung in Winterthur.

ESSENZ DER SCHWERSTARBEIT: Werner Bischof lässt einen in die Welt der Schweizer Stahlarbeiter von 1943 eintauchen. (Foto: Keystone)

Es sind nur vier Bilder. Aber wer sie gesehen hat, vergisst sie kaum. Zu sehen sind Stahlarbeiter bei Escher Wyss im Jahr 1943 bei der Arbeit. Fotograf Bischof ging ganz nah ran. Die Gesichter der Büezer sind gezeichnet von Konzentration und Anstrengung. Kein Feuer, keine Glut, kein Rauch ist zu sehen – und doch steckt all dies in den Bildern drin. Die Hitze, der Schweiss und das glühende Eisen, sie brennen sich spürbar ins Auge der Betrachtenden, als stünden sie selbst am Hochofen. So meisterhaft verstand es Werner Bischof, die Essenz dieser Schwerstarbeit ins Bild zu setzen.

Bischof schoss diese Bilder im Auftrag der damals noch jungen Kulturzeitschrift «Du». Im Mai 1943 erschien ein Heft mit dem Titel «Der schweizerische Arbeiter». Zusammen mit Bischof fotografierten zwei weitere Meister ihres Fachs, Paul Senn und Jakob Tuggener, die Arbeitswelt der Nachkriegszeit. Das Besondere an Bischofs Fotos ist, dass er sie in Farbe aufnahm. Sein Ruf gründet sonst vor allem in eindringlichen Fotoreportagen in Schwarzweiss (siehe Box).

Malt Farbe die Welt schön? Keineswegs, wie Bischof zeigt.

Unter dem Titel «Unseen Colour» zeigt das Fotomuseum Winterthur nun Bischofs Farbaufnahmen. Das ergibt Sinn, denn Farbe war für Bischof schon früh sehr wichtig. In jungen Jahren wollte er Maler werden. Nur durch Zufall kam er an der Zürcher Kunstgewerbeschule in die Fotoklasse. Schnell fand er sich mit der Kamera zurecht. Farbfotos waren in den 1930er Jahren nur aufwendig via Mehrfachkopien herzustellen. ­Bischofs Arbeiten überzeugen nicht nur durch die präzise Komposition, für die er berühmt ist. Sie bestechen zusätzlich durch eine eigentümlich sanfte Farbigkeit. Dies verleiht ihnen eine spezielle, fast betörende Aura.

DER SCHRECKEN DES KRIEGS

Malt Farbe die Welt schön? Keineswegs, wie Bischof zeigt. Das wohl eindrücklichste Foto in der Schau ist ein Junge aus den Niederlanden, dessen Gesicht im Zweiten Weltkrieg durch eine sogenannte Babymine sichtlich entstellt wurde. Die Schrecken des Kriegs erscheinen darin verstörend rea­listisch – das geht unter die Haut. Eine typische Bischof-Aufnahme halt. In Schwarzweiss würde das Foto nicht die gleiche Wirkung entfalten. Bischofs Aufnahme des zerbombten Berlin mit seiner Häuserwüste bleibt ebenfalls im Gedächtnis haften. Sie gleicht aufs Haar jenen Bildern, die uns heute der Krieg in Gaza ins Haus liefert: Wahnsinn und Zerstörung pur.

Die Farbaufnahmen sind an eine zweite Ausstellung gekoppelt. Hier steht die wenig bekannte Rosellina Burri-Bischof im Zentrum. Rosellina war Bischofs Frau und zudem die spätere Gattin des ebenfalls berühmten Fotoreporters René Burri. Höchste Zeit, dass ihre Leistung gewürdigt wird, setzte sie sich doch unermüdlich für die Fotografie als Kunstform ein. Zwölf Jahre lang leitete sie die Schweizer Filiale der weltberühmten Fotoagentur Magnum. Mit den damals besten Foto­reportern wie David Seymour oder Robert Capa war sie per du. Auch sicherte sie deren Nachlass durch die Gründung einer Stiftung in New York. Ohne Rosellina und ihr breites Beziehungsnetz hätte die engagierte Reportagefotografie keinen so prominenten Platz in der Kunstgeschichte erobern können.

Ein genialer Fotoreporter: Werner Bischof

Er wurde nur gerade 38 Jahre alt. Und doch zählt er zu den bedeutendsten Schweizer Fotografen des 20. Jahrhunderts. Werner Bischof schuf mit seiner Kamera ikonische Bilder, die alle kennen, etwa den flötenspielenden Knaben aus Peru. Er reiste kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ins kriegsversehrte Europa, war später im Guerrillakrieg in Indochina präsent und fotografierte anschliessend auch in Japan, in den USA und in Südamerika. Dort ereilte ihn 1954 der Tod: Er stürzte in den Anden mit dem Auto in eine Schlucht.

Bis 28. Januar 2024. www.fotomuseum.ch

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