Biologielehrer und Pflegefachmann Teweldeberhan Debesay flüchtete aus Eritrea in die Schweiz. Jetzt ist er besorgt über die Spaltung innerhalb der eritreischen Diaspora. Und empört über die schleppende Umsetzung der Pflegeinitiative.
VERTRIEBEN: Teweldeberhan Debesay geriet auf die schwarze Liste der Regierung und sah in der Flucht aus Eritrea den einzigen Ausweg. (Foto: Matthias Luggen)
Towe, so nennen ihn seine Arbeitskolleginnen und -kollegen im Pflegezentrum Schlossgarten im beschaulichen Riggisberg BE. Doch sein voller Vorname setze sich aus dem tigrinischen Tewelde «Geboren» und Berhan «Licht» zusammen. Vor neun Jahren flüchtete Teweldeberhan Debesay (40) aus Eritrea über das Mittelmeer nach Europa und bekam Asyl in der Schweiz. Zur Überfahrt sagt er: «Wenn du in ein Holzboot mit 500 Leuten steigst, weisst du: das ist eine Frage von Leben und Tod!»
Für ihn sei es wichtig, dass die Menschen in der Schweiz verstünden, was solche Erlebnisse für die Geflüchteten bedeuteten. In diesem Jahr sind bisher etwa 186 000 Menschen über das Mittelmeer geflüchtet und bereits 2440 ertrunken. Hinter den Zahlen verbergen sich tragische Schicksale. Debesay sagt: «Wir sind auch Menschen. Das wird manchmal vergessen.» Die Mehrheit der über 35 000 Eritreerinnen und Eritreer in der Schweiz hat eine traumatische Flucht erlebt.
«Wir sind auch Menschen. Das wird manchmal vergessen.»
VOM LEHRER ZUM PFLEGER
Debesay hat einen Bachelor in Biologie und arbeitete in Eritrea als Oberstufenlehrer. Doch wer eine höhere Ausbildung habe und sich nicht vorbehaltlos hinter das Regime des Diktators Isayas Afewerki stelle, gerate wie er auf eine schwarze Liste der Regierung. Jegliche Kritik am Präsidenten, der Eritrea seit 30 Jahren regiert, werde im Keim erstickt. Auch er sei im Gefängnis gelandet, nur weil er bei den wöchentlichen obligatorischen Treffen für die Einheitspartei nicht mehr mitmachen wollte. Deshalb entschloss er sich zur Flucht.
2021 konnte Debesay in der Schweiz die Lehre als Fachmann Gesundheit (Fage) abschliessen. Es sei für ihn schon vor der Flucht klar gewesen, dass er kein Luxusleben in Europa haben werde. Aber: «Hier kann ich mein Leben selber gestalten, wenn ich arbeite.» Einfach ist es nicht: «In der Ausbildung dachte ich manchmal: Ich will das nicht mehr weitermachen!» Dank einigen Freunden und den Leuten im Betrieb habe er es dann doch durchgezogen.
In der Schweiz beobachtet Debesay eine zunehmende Spaltung seiner Landsleute. Die ältere Generation, die vor mehr als 30 Jahren in die Schweiz gekommen seien, hätten das diktatorische Regime nicht selber erlebt. Die Eritrea-Festivals, bei denen es im Sommer an verschiedenen Orten in Europa zu Ausschreitungen kam, würden von dieser älteren Generation organisiert und vom Regime gesponsert. Für die Oppositionsgruppen im Exil sei der Protest gegen die Festivals ein Mittel, um auf die Diktatur in Eritrea aufmerksam zu machen.
Wegen der Praxis des Staatsekretariats für Migration (SEM) würden viele Eritreerinnen und Eritreer gezwungen, sich bei der Botschaft zu melden. Für eine Änderung des Aufenthaltsstatus oder eine Hochzeit verlangt das SEM einen eritreischen Pass. Doch wer diesen beantragt, wird zu einer Abgabe von 2 Prozent auf alle Einkommen der letzten Jahre verdonnert. Das kann zu einer Rechnung von mehreren Tausend Franken zugunsten des Regimes führen. Der Eritreische Medienbund Schweiz fordert vom SEM eine Abschaffung der Passbeschaffungspflicht, so wie dies auch deutsche Behörden handhaben. Petition: rebrand.ly/petition-eritrea.
LOHN UND LEISTUNG
Debesay ist auch Vertrauensperson bei der Unia. Seit der Annahme der Pflegeinitiative sei für ihn klar, dass sich die Pflegenden viel besser organisieren müssten. «Unser Lohn und das, was wir leisten, stehen in keinem Verhältnis.» Das Hauptproblem sei aber der Personalmangel, was für ihn oft zu kurzfristigen Arbeitseinsätzen und Stress führe.
Eritreer in der Schweiz
In der Schweiz leben mehr als 35 000 Menschen mit eritreischer Staatsbürgerschaft. Es ist die grösste aussereuropäische Diaspora im Land. Die Unia hat 625 eritreische Mitglieder. Die meisten arbeiten im Gastgewerbe (82) oder als Sanitär, Spengler und Elektriker (93). Viele arbeiten auch in der Pflege, in der Reinigung, auf dem Bau, im Detailhandel oder in der Logistik.