Im Vergleich zu anderen Ländern wird in der Schweiz überdurchschnittlich lange gearbeitet. Arbeitsmedizinerin Brigitta Danuser sieht dies kritisch, denn insbesondere der arbeitsfreie Sonntag ist wichtig für soziale Kontakte und Erholung.
BRIGITTA DANUSER: Die Arbeitsmedizinerin betont die Wichtigkeit des freien Sonntags. (Foto: ZVG)
work: Wie wirken sich lange Arbeitstage und Sonntagsarbeit auf die Gesundheit aus?
Brigitta Danuser: Eine längere Arbeitszeit erhöht immer die gesundheitliche Belastung. Wie wir uns regenerieren können, hängt dann stark von den Erholungszeiten und unserem sozialen Umfeld ab. Hier spielt der arbeitsfreie Sonntag eine wichtige Rolle. Denn am Sonntag haben immer noch die meisten Leute frei, es ist der Tag für soziale Kontakte, für das Zusammensein.
Jetzt droht noch mehr Sonntagsarbeit: Der Bundesrat will Städte zu Tourismuszonen mit Sonntagsarbeit erklären. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
«Gesundheit ist auch eine soziale Geschichte.»
Für unsere Gesundheit ist die Ruhezeit am Sonntag wichtig. Das gilt für das Verkaufspersonal, aber auch für die Leute, die am Sonntag einkaufen. Eine Ausweitung der Sonntagsarbeit ist daher keine gute Idee. Gemeinsame Pausen und eine gemeinsame Regenerationszeit sind wesentlich! Wenn alle ihren Sonntag an einem anderen Tag haben, wird es schwierig. Gesundheit ist auch eine soziale Geschichte, und wir sind soziale Wesen. Daher ist es wichtig, dass wir einen Tag haben, der dem Sinn des Lebens gewidmet ist und möglichst ausserhalb der Arbeits- und Konsumlogik funktioniert.
Verkäuferinnen und Verkäufer im Detailhandel oder in Tankstellenshops sind besonders häufig von Sonntagsarbeit betroffen. Was sind typische Krankheitsbilder bei diesen Berufsgruppen?
Das Verkaufspersonal muss viel stehen, sie haben lange Arbeitszeiten und sind schlecht bezahlt. Oft sind Tankstellenshops auch schlecht isoliert, oder es gibt Durchzug. Entsprechend oft haben Verkäuferinnen und Verkäufer körperliche Beschwerden, also insbesondere Probleme mit der Muskulatur und Gelenkschmerzen. Oft treten auch psychische Probleme auf, weil die Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Wer über viele Jahre in einem prekären Job arbeitet, wird mit grösserer Wahrscheinlichkeit krank.
Auch Stress und Burnouts nehmen in der Schweiz zu …
Ja, da hilft Sonntagsarbeit sicher nicht. Es ist ja auch bezeichnend, dass die Sonntagsschichten in der Regel die unbeliebtesten Arbeitseinsätze sind, auch wenn die Bezahlung besser ist. Vergessen wird auch, dass Sonntagsarbeit immer auch einen Rattenschwanz mit sich bringt. Andere Leute müssen dann auch mehr arbeiten, im öffentlichen Verkehr, bei Lieferanten oder in der Kinderbetreuung.