Von 2013 bis zum Jahr 2021 ist die Anzahl der von Armut Betroffenen in der Schweiz stetig angestiegen. Der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung erhöhte sich in dieser Zeit um mehr als einen Drittel, von knapp 6 auf 8,7 Prozent. 2021 entsprach dies 745 000 Personen. Als arm werden Personen bezeichnet, deren Einkommen unter jener Schwelle liegt, die für eine soziale Teilnahme am Leben nötig ist. Am Beispiel einer vierköpfigen Familie lag diese Grenze 2021 bei knapp 4000 Franken, wenig genug.
FRAUEN STÄRKER BETROFFEN. In den Pandemiejahren 2020/2021 hat sich die Armut dank Unterstützungsmassnahmen, verlängerter Kurzarbeit usw. nicht wesentlich verschärft, sondern ist etwa auf dem gleichen, allerdings hohen Niveau geblieben wie vor Corona. Besonders von Armut betroffen sind Personen mit einem ausländischen Pass. Das war zwar schon immer so, aber ihre Armutsquote hat sich seit 2013 mehr als verdoppelt, ist also ungleich stärker angestiegen als bei der Schweizer Bevölkerung. Frauen waren seit je stärker von Armut betroffen als Männer, der Unterschied hat sich aber bis 2018 deutlich verringert und ist seither wieder leicht grösser geworden. Auch die Zahl jener Personen, die trotz Erwerbstätigkeit arm sind, hat zugenommen. Ihr Anteil am Total der Erwerbstätigen ist von 2,7 Prozent im Jahr 2013 auf 4,2 Prozent gestiegen.
ZEICHEN DER TRENDWENDE. Entgegen den Befürchtungen ist der Anteil der Personen, die Sozialhilfe beziehen, in den Pandemiejahren nicht gestiegen. Und die ersten Zahlen aus den Kantonen zeigen, dass die Sozialhilfequote im letzten Jahr erstmals seit langem sogar zurückgegangen ist. Gute Kunde auch vom Arbeitsmarkt: Die Zahl der Erwerbslosen hat sich seit den Pandemiejahren deutlich verringert und ist dieses Jahr sogar auf ein Zehnjahrestief gesunken. Dies deutet alles auf eine Trendwende hin, die auch die Zahl der von Armut Betroffenen endlich wieder reduzieren könnte. Entscheidend wird dabei sein, wie sich die Inflation entwickelt und ob es gelingt, die steigende Belastung durch Krankenkassenprämien und höhere Mieten mit Lohnanpassungen und sozialen Massnahmen zu kompensieren.
Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.