Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.
Wir haben doch eben das Januarloch überstanden, und schon organisieren wir den Weihnachtsverkauf. Dieses Jahr ist für mich unglaublich schnell rum. Wo ist denn die Zeit geblieben? Was habe ich denn dieses Jahr gemacht? Habe ich die Zeit sinnvoll eingesetzt? Das waren die Fragen und Gedanken, die ich hatte, als ich letztens auf den Zug wartete. Mitten im hektischen Bahnhof stand ich frühmorgens da und sinnierte über mein Jahr 2023. Der Zug sollte mich in die Schule bringen, die ich seit mehr als einem Jahr besuche. Arbeit, Weiterbildung, Gewerkschaftsarbeit, Freunde und Familie unter einen Hut zu bringen war dieses Jahr für mich definitiv eine Challenge. Ich hatte auch oft Momente, in denen ich sehr erschöpft und frustriert war.
«Das gab mir Mut zum Lautwerden und Lautbleiben.»
TATENDRANG. Kommt hinzu, dass ich jeden Franken umdrehen muss, obwohl ich von frühmorgens bis abends bis zu sechs Tage die Woche arbeite. Und doch ist dieses Jahr von Energie, Tatendrang, Mut und Erfolgen gezeichnet. Die Energie kam von den neuen Kontakten, die ich in den Unia-Treffs geschlossen hatte. Unglaublich starke, mutige, interessierte und aktive Menschen. Der Tatendrang kam auch am Welt-Gewerkschaftskongress in Philadelphia, USA. Ich habe in kürzester Zeit viel über die Geschichte der Gewerkschaft gelernt. Die Reise hat mir politisch enorm die Augen geöffnet. Genauer hinzusehen, Fragen zu stellen und noch mehr zu ändern. Der Frauenstreik vom 14. Juni und die verschiedensten Demos geben mir Mut zum Lautwerden und Lautbleiben. Und natürlich die Lohnerhöhung! Bis zu 3 Prozent mehr. Die Fachgruppe hat sich dieses hervorragende Resultat bei den Lohnverhandlungen hart erkämpft. Wir können nächstes Jahr etwas aufatmen. Doch 2023 hat mir auch ganz viel Wut in den Bauch getrieben. Wut und Trauer über die vielen Femizide, die dieses Jahr begangen worden sind. Frauenmorde, die in den öffentlichen Medien praktisch nicht erwähnt werden. Das macht mich rasend.
MUT UND WUT. All diese Gedanken führten dazu, dass ich den Zug durchfahren liess. So hatte ich noch etwas Zeit, über meine Vorsätze für das kommende Jahr nachzudenken. Das Wichtigste: Ich muss niemandem gerecht werden ausser mir. Auf die Erwartungshaltungen der anderen pfeife ich. Und ich hole mir im Jahr 2024 noch mehr Energie, Mut, Wut für Änderungen und somit Erfolge. Mit der Gewerkschaft.