Wer die Lehre in einer Schreinerei machen will, darf sich nicht vor grossen Maschinen und kleinen Holzspänen fürchten. Zu Besuch bei einem Lehrling und seinem Lehrmeister.
ENGAGIERT: Chef André Flückiger (58) setzt sich dafür ein, dass Gregory Schaller (18) eine gute Ausbildung erhält. (Foto: Raja Läubli)
In der Werkstatt der Schreinerei Hobel, gleich beim Bahnhof Altstetten in Zürich, geht es hektisch zu und her. Es wird gesägt, gebohrt und geschliffen. Hier wird es nicht nur staubig, sondern oft auch stressig. Für Werkstattleiter André Flückiger (58) ist aber klar: «Auch im grössten Stress dürfen wir unsere Lernenden nicht vergessen und müssen sie richtig ausbilden.»
Zurzeit sind in der Schreinerei vier Lernende beschäftigt, für jedes Lehrjahr ein Stift. Einer von ihnen ist Gregory Schaller (18). Er ist im ersten Lehrjahr und somit erst knapp vier Monate im Betrieb, monatlich verdient er 660 Franken. Bislang läuft es gut, er ist zufrieden mit seiner Berufsentscheidung. Dabei war er auf sich allein gestellt: «Ich war im Gymi und habe gemerkt, dass Schulbankdrücken nichts für mich ist. Also habe ich mich auf eigene Faust um eine Lehrstelle gekümmert.» Schaller besuchte Berufsmessen, ging zur Berufsberatung und in Betrieben schnuppern. Sein einziger Anhaltspunkt: In der Primarschule hat er gerne den Werkunterricht besucht. Und genau da sieht sein Lehrmeister das Problem:
«Der Werkunterricht wird in der Oberstufe immer mehr aus den Stundenplänen gedrängt. So wissen die Jugendlichen gar nicht, ob sie gerne mit Holz, Metall oder Stoff arbeiten würden.»
Für Lehrling Schaller sind die ersten Schritte im Berufsleben aufregend: «In der Werkstatt darf ich schon erste Maschinen bedienen, aktuell schaue ich oft meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen über die Schulter.» Die Leistungen des 18jährigen an vier Orten stimmen: im Betrieb, in den überbetrieblichen Kursen, in der Berufsschule und auch bei der Berufsmaturität, die Schaller parallel absolviert. Lehrmeister Flückiger: «Das darf der Ausbildungsbetrieb auch nicht vergessen: Von Lernenden werden von allen Seiten konstant gute Leistungen erwartet.»
ABBRÜCHE FRUSTRIEREN
Er ist seit über 25 Jahren Gewerkschaftsmitglied und kümmert sich genauso lange um den Berufsnachwuchs: «Die Lehre ist weiterhin ein wertvoller Weg, jungen Menschen ein Handwerk beizubringen.» Was heute besser sei, sei sicherlich das Selbstvertrauen, das die Jugendlichen mitbringen. Bei der Motivation kann es aber schneller hapern: «Anders als früher brechen Lernende eher eine Ausbildung ab, wenn es nicht passt. Das ist eine schwierige Situation – auch für die Lehrmeister.» Immerhin sei ein Lehrabschluss für den ganzen Betrieb ein Erfolgserlebnis.
Unia wirkt – auch für die Jungen
Die Unia engagiert sich für Lernende, beispielsweise fordert sie einen generellen Mindestlohn von 5000 Franken für alle mit Lehrabschluss. Auch während der Ausbildung müssen die Bedingungen besser werden, beispielsweise mit einem 13. Lehrlingslohn. Aktuell läuft eine grosse Unia-Umfrage bei den Lernenden.
Vier Lernende in einer Werkstatt zu betreuen ist eine 100-Prozent-Aufgabe, deshalb wird die Lehrlingsausbildung in der Schreinerei Hobel auf das ganze Team verteilt. Flückiger sagt:
«Betriebe dürfen Lernende nicht als billige Arbeitskraft ausnutzen, sondern müssen sie als vollwertiges Teammitglied aufnehmen und die Ausbildung ernst nehmen.»
Flückiger findet auch, dass Lehrstellen viel zu früh vergeben werden: «Junge Menschen sollen sich genug Zeit nehmen, um den richtigen Beruf für sich zu finden.» Damit vermeide man auch Abbrüche. Die Stelle mit Lehrstart im Sommer 2024 hat die Schreinerei Hobel erst kürzlich vergeben – dieses Mal an eine Frau.
INTERESSIERT: Jonas Lambert mag die Hektik. (Foto: Raja Läubli)
Per Notfall zum Pflegeberuf
Lambert Bolivar (15) -immer eine Lehre als Schreiner machen. Doch ein Notfall an einer Tramstation änderte seine Berufswahl schlagartig.
Seit knapp vier Monaten ist Jonas Lambert Bolivar Lehrling im Unispital Zürich. Dass er sich für die dreijährige Lehre als Fachmann Gesundheit EFZ entschieden hat, war Zufall. Der 15jährige wohnt in der Nähe einer belebten Kreuzung in Zürich und war da, als sich ein Unfall ereignete. Eine Frau ist kollabiert, mehrere Passanten halfen und riefen die Rettungssanitäterinnen. Mitten im Geschehen war der damalige Schüler Jonas Lambert -Bolivar. Nach diesem Ereignis wusste er: «Ich will Menschen das Leben retten.»
Die ersten Wochen in der Lehre waren aufregend. Stolz verkündet er: «Seit wenigen Tagen darf ich selbständig Blutdruck messen. Ich finde es schön, dass mir vertraut wird.» Zurzeit begleitet er die Pflegenden, schaut ihnen über die Schultern und kümmert sich darum, dass das richtige Material an Ort und Stelle ist.
Eine Lehrstelle zu finden war für den 15jährigen nicht einfach. «Nachdem ich mich für eine Lehre entschieden hatte, ging ich in mehreren -Betrieben schnuppern und musste Schlag auf Schlag Bewerbungen verschicken», sagt er. Dabei war der Schüler unter Zeitdruck, denn viele seiner Favoriten verlangten die Bewerbungsunterlagen schon mitten in den Sommerferien.
Und so bewarb er sich aus den Familienferien in Schweden. Bei drei Betrieben wurde er zum «Assessment» eingeladen. Dabei werden Bewerberinnen und Bewerber einen ganzen Tag auf Herz und Nieren geprüft. Sie müssen Rollenspiele und Teamaufgaben lösen und anschliessend ein Bewerbungsgespräch führen. «Das war purer Stress», sagt Jonas Lambert. Nach zwei Absagen erhielt er eine Zusage vom Unispital Zürich. Im ersten Lehrjahr verdient er 800 Franken im Monat.
Und der Stress im Pflegeberuf? Der 15jährige findet es spannend, dass immer etwas los ist. «Ich mache die Lehre, um etwas zu lernen, und nicht, um mich zu langweilen.»
Hervorragender Beitrag, ich stimme vollkommen zu. Der Wert einer Lehre sollte in der jungen Generation nicht unterschätzt werden. Durch eine Lehre erwirbt man nicht nur Disziplin in der Arbeitswelt, sondern auch lebenswichtige Fähigkeiten, die einem niemand mehr nehmen kann, sobald man den Abschluss in der Hand hält. Darüber hinaus sind Fachkräfte mit abgeschlossener Lehre weiterhin sehr gefragt. Eine Ausbildung im Ausland lässt sich nämlich nicht einfach mit den Standards in der Schweiz vergleichen.