Mindestlöhne kommen beim Stimmvolk gut an. Das ärgert die Arbeitgeber. Im Kanton Baselland testen sie jetzt eine neue Strategie, um noch länger von Dumpinglöhnen profitieren zu können.
ANGST VOR DEM VOLK: Im Kanton Baselland wollen die Bürgerlichen, mit Unterstützung der Grünen, die Abstimmung über gesetzliche Mindestlöhne verzögern. (Foto: Keystone)
Rund 12 000 Menschen im Baselbiet verdienen weniger als 22 Franken pro Stunde. Auch bei einem 100-Prozent-Job reicht das nicht zum Leben. Die Unia hat darum die Initiative für einen kantonalen Mindestlohn lanciert und am 4. Juli vergangenen Jahres eingereicht. Eigentlich hätten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger darüber dieses Jahr entscheiden sollen. Doch das ist jetzt fraglich. Die bürgerliche Mehrheit im Kantonsparlament hat, unterstützt von der grossen Mehrheit der Grünen-Fraktion, die Behandlung des Volksbegehrens auf die lange Bank geschoben. Angeblich ist unklar, ob die Initiative rechtlich «verhebt». Darum soll sich jetzt noch die Rechtskommission des Landrates darüber beugen. Obwohl das Bundesgericht kantonale Mindestlöhne als sozialpolitische Massnahme schon längst für zulässig erklärt hat.
VERZÖGERUNGSTAKTIK
Die Arbeitgeber können gesetzliche Mindestlöhne nicht leiden: weder auf nationaler Ebene noch in Kantonen und auch nicht in Städten. Auch wenn sich ihre «Argumente» jeweils wild widersprechen, bekämpfen sie Mindestlöhne, wo sie können. Und wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger klar Ja sagen zu Löhnen, die bei einem 100-Prozent-Job zum Leben reichen, verzögern sie mit juristischen Schritten die rasche Einführung. So aktuell wieder in den Städten Winterthur und Zürich, wo eine Hungerlohn-Koalition, angeführt von Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun, die klaren Volksentscheide durch die juristischen Instanzen schleppt. Die Erfolgsaussichten sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verschwindend gering, aber darum geht es den Gewerblerverbänden nicht. Ihr Ziel ist es, so lange wie möglich Dumpinglöhne bezahlen zu können.
BÜRGERLICHE ANGST
Im Kanton Baselland testen die bürgerlichen Parteien und die Arbeitgeberverbände jetzt offensichtlich eine neue Taktik. Nach der Einreichung der Unia-Mindestlohninitiative liess der Regierungsrat das Volksbegehren von seinen Juristinnen und Juristen prüfen. Diese kamen – wenig überraschend – zum Schluss: rechtlich einwandfrei. Doch statt die Initiative zu behandeln und dann dem Volk vorzulegen, schoben sie diese auf die lange Bank. Auf Antrag der Mitte soll sie zuerst von der Justizkommission detailliert beraten werden. Dass SVP, FDP und GLP da noch so gerne mitmachten, ist klar. Irritierender ist, dass auch die Grünen bis auf eine Ausnahme mitspielten. Daria Frick von der Unia Basel sagt dazu: «Mit dieser Verzögerungstaktik blamiert sich die bürgerliche Parlamentsmehrheit und zeigt, dass sie Angst hat vor unserer Initiative.» Klar ist jetzt schon: Sollte das Baselbieter Parlament die Mindestlohninitiative allen Urteilen und Gutachten zum Trotz für ungültig erklären, wird die Unia dagegen juristisch vorgehen.