Die eine französische Gewerkschaft klagt gegen eine andere, weil die zu viele Frauen auf einer Wahlliste für die Personalkommission hatte… und gewinnt gegen die Frauen.
TRAUERSPIEL: Im elsässischen Hagenau hat ein Gleichstellungsartikel ausgerechnet dazu geführt, dass eine junge Frau trotz Wahlerfolg ihr Mandat nicht antreten kann. Vor Gericht standen sich die Gewerkschaften CGT und CFDT mit ihren Präsidentinnen Sophie Binet (CGT, links) und Marylise Léon (CFDT, rechts) gegenüber. (Montage: ninotchka.ch)
Nein, vorgedrängt hat sich Amélie (26) nicht. Sie musste sich sogar ein wenig Zwang antun. Doch am Ende war sie glücklich, in die Personalkommission (Peko) des Reiseunternehmens Antoni Voyages gewählt worden zu sein, auf einer Liste der linken Gewerkschaft CGT. Stolz auch, nun für ihre 229 Kolleginnen und Kollegen gegenüber der Firmenleitung einzustehen. Die Geschichte spielt, das sollte man noch wissen, im elsässischen Hagenau, einem Ort, der sich rühmt, die Goldene Brezel für seinen Hopfen erhalten zu haben.
Konfliktstoff, also Arbeit für Amélie, gab es reichlich. So hatten etwa die Carchauffeure der Bude kritisiert, sie seien gezwungen, zum Teil mit unsicheren Bussen zu arbeiten. Der Fall schlug sogar Wellen in den lokalen Medien bis nach Strassburg.
BUCHSTABEN-JURISTEREI
Aber nun wird aus Amélies Engagement nichts, ihr Peko-Sitz bleibt leer. Zwar gewann ihre CGT klar (6 Sitze) vor der anderen Gewerkschaft, der CFDT (3 Sitze). Aber kaum war das Resultat bekannt, erhob die unterlegene CFDT Klage gegen die CGT. Begründung: Die CGT habe zu viele Frauen auf ihrer Liste geführt, nämlich vier Frauen und fünf Männer.
Pardon? Und was ist mit der Gleichstellung? Der Einzelrichter gab der CFDT recht und übernahm ihre Argumentation: Das Arbeitsgesetz schreibe vor, Frauen und Männer entsprechend der Zusammensetzung der Belegschaft in die Peko zu schicken. Bei Antoni Voyages arbeiten tatsächlich deutlich mehr Männer als Frauen. Doch der entsprechende Paragraph, etwas unscharf formuliert, war eigentlich mit dem Ziel beschlossen worden, gegen die krasse Untervertretung der Frauen anzugehen.
SOZIALER BREMSKLOTZ
So wendet also die CFDT einen Gleichstellungsartikel gegen eine von der Mehrheit gewählte Frau einer anderen Gewerkschaft. Eine Eselei, aber nicht wirklich verwunderlich. Zwar werden diese beiden grössten Gewerkschaftsverbände Frankreichs seit 2023 von Frauen geführt, von Sophie Binet (CGT) und Marylise Léon (CFDT). Und beide mobilisierten sie dieser Tage für den 8. März. Doch die CFDT, die sich gerne als besonders modern sieht, war schon immer ein Bremsklotz für den sozialen Fortschritt. Sie kommt aus der christlichen, antikommunistischen Tradition und hat sich auch gegen die Selbstverwaltung der Arbeitenden gestellt. Später trug sie die neoliberale Wende der französischen Sozialdemokratie mit, mit allen Verschlechterungen für Büezerinnen und Bevölkerung. Auch der rechte Präsident Emmanuel Macron nutzte die von ihm favorisierte, aber verachtete CFDT immer wieder, um die Gewerkschaften zu spalten. Bis zur Rentenreform 2023 – da marschierten alle Gewerkschaften des Landes zum ersten Mal seit Jahrzehnten in schöner Einheit. Nur war der Preis für die fortschrittlichen Verbände CGT und SUD hoch: Weil die CFDT immer wieder auf Mässigung in den Aktionsformen drängte, verzichteten die Linken im Namen der Einheit auf einen geplanten Generalstreik. Doch allein der hätte den Präsidenten zum Umlenken zwingen können.
Amélie macht sich derweil keinen Kopf. Sie wird bei den nächsten Peko-Wahlen einfach wieder antreten.