Im Abstimmungskampf um die 13. AHV-Rente wurden von den Gegnerinnen und Gegnern viele Unwahrheiten und Halbwahrheiten verbreitet. Leider auch vom ehemaligen Bundesrat Pascal Couchepin (FDP), der es eigentlich besser wissen müsste. Er bestritt in einem Interview, dass die Schere zwischen Arm und Reich in den letzten Jahren immer mehr aufgegangen sei und es deshalb Korrekturen zugunsten der Menschen mit weniger Einkommen und Rente brauche. Er bezeichnete dies im «Tages-Anzeiger» als «reine Ideologie». Tatsächlich sei – so Couchepin – der Gini-Index in der Schweiz nicht gestiegen. Der Gini-Index ist ein Mass für die Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung. Er bewegt sich zwischen 0 und 1; je weiter er in Richtung 1 geht, desto ungleicher ist die Verteilung. Couchepin liegt mit seiner Feststellung, der Gini-Index und damit die Ungleichheit habe sich nicht verändert, falsch. Der Gini-Koeffizient hat sich von 2005 bis 2018 bei den Primäreinkommen von 0,41 auf 0,46 erhöht. Die Primäreinkommen sind die Einkommen vor Abzug von Sozialabgaben und Steuern. Aber auch bei den verfügbaren Einkommen, also nach Abzug von Sozialabgaben und Steuern, hat sich der Koeffizient erhöht, nämlich von 0,27 auf 0,30. Diese Einkommen beinhalten auch alle Renten.
REICHE LEGEN ZU
Noch viel deutlicher ist das bei den Vermögen. Dort hat die Schweiz mit einem Gini-Koeffizienten von 0,82 eine der ungleichsten Verteilungen der Welt. Und auch bei den Vermögen ist die Schere in den letzten Jahren noch mehr aufgegangen, 2005 hatte der Koeffizient noch 0,78 betragen. Über eine längere Zeit gemessen, ist diese Entwicklung noch viel krasser: 1980 verfügte das reichste Prozent der Schweizer Bevölkerung über ein Drittel aller Vermögen, die anderen 99 Prozent mussten sich die übrigen zwei Drittel teilen. 2020 besass das reichste Prozent aber bereits 47 Prozent, also fast die Hälfte aller Vermögen, während sich 99 Prozent die andere Hälfte teilen mussten.
Die Schere zwischen Arm und Reich ist aufgegangen, und es konzentriert sich immer mehr Einkommen und Vermögen bei einer kleinen Schicht der Allerreichsten. Das gilt für Erwerbshaushalte wie auch für Rentnerinnen und Rentner. Zum Glück kann dies die 13. AHV-Rente jetzt ein wenig korrigieren.
Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.