Mit einem mörderischen Migrations- und Asylpakt exorziert die EU ihren Überfremdungswahn. Und verliert sich dabei selbst.
RIMA HASSAN: Geboren ist sie in einem palästinensischen Flüchtlingslager, bald schon könnte sie für Frankreich im Europaparlament politisieren. (Foto: Keystone)
Es ist wohl ein Symptom für unsere Zeit, dass ein Mann wie Fabrice Leggeri seinen Hass auf alles Nichtweisse enthüllte: Der ehemalige Chef der EU-Grenzschutzbehörde Frontex bekannte sich im Februar zu den französischen Rechtsextremen von Marine Le Pen.
Leggeri hatte sich 2022 rechtzeitig aus seinem Job als Frontex-Boss abgesetzt, als die EU-Betrugsaufsicht «disziplinarische Massnahmen» gegen ihn vorbereitete. Offizielle Untersuchungen hatten bestätigt, was viele Organisationen schon lange kritisierten: Die militärisch hochgerüstete Frontex hat sich am Versenken von Flüchtlingsbooten im Mittelmeer beteiligt – nicht immer nur passiv. Völlig illegal, menschenverachtend und im Widerspruch zu allen internationalen Abkommen. Mindestens 23’000 Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Folter und Klimakatastrophen ertrunken.
ASYLRECHT WIRD EINGEDAMPFT
Jetzt will Leggeri Europa für die Neofaschistin Le Pen von innen heraus aufmischen, als Europaparlamentarier. Seine Wahl gilt als sicher. In Strassburg wird er, glaubt man Umfragen zur Europawahl vom 6. Juni, auf viele ultrarechte Kameraden stossen und kann sich in ein gemachtes Nest setzen. Denn am 10. April beschloss das alte Parlament einen «Migrations- und Asylpakt», der sämtliche rechtsextremen Kernforderungen zum Gesetz erhebt: Europa zieht die Mauern der Festung hoch. Jede Migration, die nicht von den Konzernen bestellt ist (Arbeitskräfte), soll so gut wie unmöglich werden. Das Recht von Vertriebenen auf ein sicheres Asyl wird eingedampft. An Europas Rändern sollen Internierungslager dafür sorgen, die Flüchtenden in Schnellverfahren zu «filtrieren» und möglichst rasch wegzuschaffen. Dabei will die EU Abgewiesene auch in Folter- und Kriegsländer ausschaffen. Oder, weil das nicht immer möglich ist, in willige «Drittländer». Grossbritannien macht es vor: Es verschickt Flüchtlinge, etwa aus Asien, ins afrikanische Rwanda (wo 1994 ein Genozid eine Million Tote gefordert hatte). Europa, das gerne als moralischer Einpeitscher in Sachen Menschenrechten auftritt, beerdigt gerade die Reste seiner Humanität.
RASSISMUS WIRD ZUR LEITDOKTRIN
Ungerührt feiern Politikerinnen und Politiker, angeführt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, den Pakt als «historische Tat». Sozialdemokraten wie Scholz geben an, damit den Rechtsextremen die Argumente aus der Hand zu schlagen. Das Gegenteil ist wahr: Der Migrationspakt legitimiert die Rassisten, Bunkerwarte und Demokratiehasser. Rassismus wird, 60 Jahre nach dem Kolonialismus, erneut zur Leitdoktrin Europas.
Historisch ist dieser Pakt fraglos – ein historischer Bruch: Ohne Not zerstört der Kontinent gerade das Beste, was er hervorgebracht hat.
Zum Beispiel Rima Hassan. 1992 in einem palästinensischen Flüchtlingslager in Syrien geboren, folgte sie mit neun Jahren ihrer Mutter nach Frankreich. Sie ist klug und rhetorisch gewandt, wird Französin und Juristin, arbeitet für staatliche Stellen. So geht Integration durch die Schule der Republik. Doch das war gestern. Heute überziehen sie Pariser Salonphilosophen, Behörden und Politiker mit Hass, Drohungen und Zensur, weil sie sich nun ihrerseits für palästinensische Flüchtlinge einsetzt. Bald könnte sie im Europaparlament auf Leggeri treffen: Rima Hassan kandidiert für die linke LFI.
ES GIBT KEINE FLÜCHTLINGSKRISE
Rational gesehen, sagt sie, gibt es keine Flüchtlingskrise, «sondern eine Krise der Aufnahme». Tatsächlich sind die Zahlen der Flüchtenden, die nach Europa wollen, tief, sogar die Zahlen der Frontex: 2023 machten sie, Ukrainerinnen und Ukrainer ausgenommen, weniger als ein Promille der EU-Bevölkerung aus. Das vermeintliche Problem wird künstlich produziert – als Instrument politischer Steuerung in der kapitalistischen und ökologischen Krise.
Sämtliche Migrationspraktikerinnen und -praktiker wissen, dass der EU-Pakt nicht funktionieren kann – er schafft nur Willkür und Tod. 190 Organisationen, die sich mit Flucht und Asyl auskennen, warnen: «Diese Dispositive», so eine Sprecherin, «sollen töten.»
Etwa der Versuch, die Flüchtenden erst gar nicht vor der Festung Europa ankommen zu lassen. Gegen ein paar Milliarden Handgeld und militärische Hilfe werden die Regierungen der Türkei, Ägyptens, Tunesiens, Libyens, Nigers, Mauretaniens und Marokkos beauftragt, die Flüchtenden zurückzuhalten. So finanziert die EU Repression, Menschenrechtsverletzungen, neue Sklavenfabriken in Libyen oder das rassistische Regime in Tunesien: work hat am Tod von Fati und ihrer Tochter Marie dokumentiert (zum Artikel), wie die tunesische Polizei Flüchtende in die Wüste schafft, um sie dort verdursten zu lassen. Für Ursula von der Leyen.