Was der Bund kann, können sie schon lange. Mit Hilfe der Schuldenbremse budgetieren die Kantone sich arm, um zum Beispiel bei den Prämienverbilligungen zu knausern. Und schliessen dann massiv im Plus ab. Seit Jahren. Systematisch.
ZIEMLICH DANEBEN: Die Kantone malen gern schwarz, wenn es um die Budgets geht.
Die Rechnungsabschlüsse zeigen aber, dass mehr Geld für das Volk da wäre. (Grafik: work)
Um über 7 Milliarden Franken haben die Kantone die Rechnungen 2022 besser abgeschlossen als budgetiert. Diese Zahl stammt vom marktradikalen Thinktank Avenir Suisse. Dieser hat die Budget-Schindluderei der Kantone als Thema entdeckt. Jahre nach dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), der die Kantonsfinanzen Jahr für Jahr analysiert. Während Avenir Suisse jedoch von «Steuerrückerstattung» für die Reichen träumt, verlangt der SGB seit Jahren, dass die Kantone wenigstens nicht mehr bei den Prämienverbilligungen sparen.
BUNDESTRICK FÖDERALISIERT
Die meisten Kantone haben – wie der Bund (siehe Artikel unten) eine «Schuldenbremse». Diese sind im Detail unterschiedlich ausgestattet, führen aber zum gleichen Effekt: Um die Steuern von Reichen und Firmen zu senken, ist Geld da, für die nötigen Ausgaben im Interesse der Mehrheit etwa in den Bereichen Bildung, Langzeitpflege oder Prämienverbilligungen fehlt aber angeblich das Geld. Denn die seit Jahren chronisch «überraschend» erzielten Überschüsse fliessen fast immer in den Schuldenabbau beziehungsweise in einen absurden Vermögensaufbau.
Im vergangenen Herbst hat der SGB für die Jahre 2021 und 2022 ausgerechnet: Die Kantone hätten allein mit den Rechnungsüberschüssen ihre Ausgaben für Prämienverbilligungen bei weitem mehr als verdoppeln können!
WENIGER VERBILLIGUNGEN
Doch das Gegenteil ist passiert. Und noch dreister: Nicht einmal das Geld, das sie für Prämienverbilligungen vom Bund bekommen, geben alle Kantone vollständig weiter. Und 21 Kantone haben nicht einmal das – meist schon schmale – Budget ausgeschöpft, das ihnen die Parlamente zur Verfügung gestellt haben. Im Kanton Zürich zum Beispiel zahlte der Regierungsrat der Bevölkerung rund einen Fünftel des Budgets für Prämienverbilligungen nicht aus. Konkret bedeutet das: Eine vierköpfige Familie mit einem Bruttoeinkommen von 80 000 Franken hätte 820 Franken mehr Prämienverbilligung erhalten, wenn der Kanton nicht geknausert hätte. Und wenn im Jahr 2022 sämtliche Kantone alle für Prämienverbilligungen budgetierten Mittel ausgeschöpft hätten, wären zusätzlich 234 Millionen Franken an bedürftige Versicherte ausbezahlt worden.
WEITER WIE BISHER?
Obwohl jetzt selbst Marktradikale die systematische Missbudgetierung kritisieren, ist nicht von einer Besserung auszugehen. Auch für das laufende Jahr haben 17 von 26 Kantonen ein Defizit budgetiert. Die Wahrscheinlichkeit und die Erfahrung aus den vergangenen Jahren legen nahe: Auch diese Defizite werden sich spätestens mit den Rechnungsabschlüssen «überraschend» in Überschüsse verwandelt haben.