1x1 der Wirtschaft
Ein Jahrzehnt ohne Lohnfortschritt droht

Mit dem mittleren Lohn kann man sich heute in der Schweiz nur so viel leisten wie 2015. In Franken wird zwar mehr ausbezahlt. Aber weil die Preise gestiegen sind, ist von den Lohnerhöhungen fast nichts geblieben. Besonders schlecht war die Entwicklung seit 2021. Viele Arbeitgeber verweigerten den Teuerungsausgleich. Die Kaufkraft des mittleren Lohns ging zurück. Auch die letztjährige Lohnrunde konnte die Verluste nicht ausgleichen. Gemäss Prognosen liegt der mittlere Lohn nach ­Abzug der Teuerung 2024 nur geringfügig höher als im Vorjahr. Es gab zwar gute Abschlüsse wie bei Coop, in der Reinigung oder in einzelnen ­Industriefirmen. Vielerorts knauserten die Chefs aber weiter. Beispielsweise die Baumeister. Sie verweigerten Verhandlungen und zahlten auch individuell oft keine besseren Löhne.

WENIGER KAUFKRAFT

Besonders schlecht war die Entwicklung seit 2015 im Gastgewerbe, im Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch in Teilen der Industrie (vgl. Grafik). Selbst in der erfolgsverwöhnten ­Chemie und Pharma liegt die Kaufkraft der Löhne heute 0,5 Prozent ­tiefer. Im Maschinen- und Fahrzeugbau war das Wachstum zwar besser als im Durchschnitt. Das liegt aber im ­wesentlichen an Lohnerhöhungen, die bereits 9 Jahre zurückliegen. Im Bau wiederum ist die Bilanz nur dank positiven Abschlüssen im Ausbau­gewerbe nicht schlechter.

GUTE GESCHÄFTE

Die Entwicklung ist besonders stossend, weil es den ­Unternehmen gutgeht. Viele haben vom Aufschwung nach der Pandemie profitiert. Es gelang ihnen oft, die ­höheren Kosten auf ihre Kundinnen und Kunden abzuwälzen. Die Margen sind deshalb gut. Die Mehrheit der Firmen ist zufrieden mit ihrem Geschäft. Dazu gehören beispielsweise auch viele Patrons im Gastgewerbe, die ­ihrem Personal die nötigen Lohnerhöhungen vorenthalten. Das gute Geschäft widerspiegelt sich auch in der Produktivität. Die Arbeitnehmenden wurden in den vergangenen 9 Jahren ­erneut leistungsfähiger. Das gilt gerade für den Detailhandel. Aber auch in der Industrie und in weiteren Dienstleistungsbranchen wird heute in der gleichen Zeit mehr gearbeitet. Das muss sich endlich in besseren Löhnen niederschlagen. Sonst wird bereits 2025 ein Jahrzehnt ohne Lohnfortschritt Tatsache.

David Gallusser ist Ökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).

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