Laura mal laut
Laura und die leeren Taschen

Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Letztens durfte ich wieder mal die Pausenablösung unserer Kassierin übernehmen. Ich war schon lange nicht mehr an der Kasse. Das merkte ich daran, dass ich noch ziemlich ungeübt mit dem neuen Kassensystem bin, zwischen dem Gesuche nach dem Butterweggli-Knopf und dem Überprüfen, ob das Rückgeld stimmt. Und dann war da dieser Kunde. Beim ­Bezahlen mit der Karte war sein Saldo zu klein. Ihm war das sehr unangenehm, das sah ich ihm an. Er fluchte vor sich hin, vermied Augenkontakt, grübelte nach seinem Notgroschen und bezahlte bar. Zwei Dinge schossen mir durch den Kopf: Für die paar Sachen, die er kaufte, musste er ganze 50 Franken bezahlen. Und: Mit dem Notgroschen kommt er nicht bis zum Ende des Monats.

NOTGROSCHEN

Das gleiche ist mir einen Tag davor auch passiert. Ich stand an der Kasse, mit dringend benötigten Kleidern für mein Kind und mich. Dann geschah es: mein Saldo reichte nicht aus. Super unangenehm. Hochrot im Gesicht, genervt und hastig sortierte ich die wirklich dringenden Kleidungsstücke aus und bezahlte. Auf dem Weg nach Hause rechnete ich verkrampft aus, wie viel ich pro Tag für das Essen ausgeben kann, bis der nächste Lohn kommt. Leider geschah mir das nicht zum ersten Mal. Ich hätte dem Herrn mit dem Notgroschen am liebsten gesagt, dass ich das nur allzu gut kenne. Aber ich hatte Hemmungen. Ich dachte, das geht mich doch nichts an, über Geld spricht man nicht. Diese Haltung habe ich tief in mir.

EXISTENZÄNGSTE

Man spricht nicht dar­über, wie viel man verdient. Und schon gar nicht, ob es reicht oder eben nicht. Immer wieder muss ich mich an der Nase nehmen. Wir müssen laut über Geld reden, sonst ändert sich nichts! Helfen hätte ich dem Kunden zwar nicht können. Aber durch Gespräche geben wir Informationen weiter, und wer weiss, vielleicht öffnen sich Möglichkeiten. Und überhaupt: Über Gespräche bin ich in die Gewerkschaft gekommen. Über Gespräche werden Dinge bewegt, wie im März die 13. AHV Rente. Mit vielen Gesprächen werden wir am 9. Juni die Prämienentlastungsinitiative gewinnen. Damit unser Lohn bis Ende Monat reicht und nicht von den Prämien weggefressen wird. Damit uns nicht mitten im Monat Existenzängste plagen.

Illustration: Laura Gonzalez Martinez

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.