Ihr Einsatz gilt den Migrantinnen, den Rentnern, der Jugend und den Frauen. Könnten sie am 1. Mai zaubern, hätten wir per sofort eine Viertagewoche, höhere Renten, die Anerkennung ausländischer Diplome und eine gerechte und feministische Gesellschaft.
Eleonora Failla (39), Präsidentin IG «Unia Frauen» «Dank an alle Kämpferinnen!»
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«Nur gemeinsam können wir Kämpfe und Streiks organisieren und eine feministische Gesellschaft schaffen», sagt Eleonora Failla, die ihre Masterarbeit zum Thema ge-schlechtsspezifische Diskriminierung in der Arbeitswelt geschrieben hat. Deshalb werde in der IG «Frauen» viel Wert darauf gelegt, sich die Erfahrungen der anderen anzuhören, sich gegenseitig zu konfrontieren und sich gegenseitig zu stärken.
MAGIE
Was würde sie für die Frauen verändern, wenn sie magische Kräfte hätte? «Es bräuchte wirklich Magie, da seit Jahren immer wieder die gleichen Forderungen gestellt werden», sagt die Erwachsenenbildnerin, die für ECAP Ticino Unia tätig ist, wo Integration durch Bildungsangebote gefördert wird. Erstens würde sie den Mutterschafts- und Elternurlaub massiv verlängern. Zweitens würde sie alle Formen von Diskriminierung, Belästigung und Gewalt abschaffen, denen Frauen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. «Die Gesetze müssen verschärft werden, und Arbeitnehmerinnen muss mehr Glauben geschenkt werden.» Drittens würde die Präsidentin der IG «Frauen» alle Formen von Erwerbsarmut beseitigen. «Es ist leider allgemein bekannt, dass in Branchen mit hohem Frauenanteil die Arbeitsbedingungen oft miserabel sind.»
DANK
Zum 1. Mai wünscht sich Eleonora Failla eine Arbeitswelt, die näher an den Frauen, an ihren Bedürfnissen, an ihren Forderungen ist. «Eine Arbeitswelt, die Frauen schätzt und hervorhebt. Ich danke all den Frauen, die vor mir für Rechte gekämpft haben, von denen ich jetzt profitiere.» Aber bis zu einer gerechten und feministischen Gesellschaft sei es leider noch ein weiter Weg.
Köbi Hauri (72), Präsident der IG «Rentnerinnen und Rentner» «Frauenlöhne den Männerlöhnen anpassen»
Foto: Unia
«Auch Rentnerinnen und Rentner sollten sich für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen», sagt Köbi Hauri. Der Präsident der Unia-Interessengruppe «Rentnerinnen und Rentner» und frühere Hausmeister an der ETH Zürich ist seit 1970 in der Gewerkschaft. Seine Pensionierung 2017 hat daran nichts geändert. Der historische Sieg der Initiative für eine 13. AHV-Rente vom 3. März 2024 habe ihm einmal mehr gezeigt, was in der Schweiz möglich sei, wenn alle Generationen zusammenspannten. «Denn im Abstimmungskampf hat sich kein Generationenkonflikt aufgetan, wie die FPD proklamiert, sondern ein Graben zwischen unsolidarischen Reichen und Menschen, die trotz einem Leben voller Arbeit am Ende zu wenig haben, um über die Runden zu kommen.»
GESUND AM 1. MAI
Könnte er zaubern, würde Köbi Hauri die Schweiz solidarischer und gerechter machen und zum Beispiel die Frauenlöhne den Männerlöhnen anpassen. «Ich würde ausserdem den Artikel 113 der Bundesverfassung in die Tat umsetzen. Dort steht: ‹Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.› Genau das tut sie eben nicht.» Zum Tag der Arbeit wünscht sich Köbi Hauri, dass die Prämienentlastungsinitiative angenommen wird und dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Teuerungsausgleich bekommen. Und: «Ich wünsche mir, dass ich auch die nächsten Jahre mit meiner Frau, meiner Enkelin und meinen Enkeln gesund und zufrieden den 1. Mai feiern darf.»
Hilmi Gashi (57), Leiter IG «Unia Migration» «Sofort ausländische Diplome anerkennen»
Foto: Matthias Luggen
25 Prozent der Schweizer Bevölkerung können politisch nicht mitbestimmen, weil sie keinen Schweizer Pass haben. In einzelnen Kantonen dürfen Bürgerinnen und Bürger mit C-Bewilligung zwar wählen und abstimmen, national mitreden ist ihnen aber nicht erlaubt. Das zu ändern ist ein Ziel, für das sich die Interessengruppe «Migration» der Unia seit Jahren einsetzt – innerhalb der Gewerkschaft ist es längst umgesetzt. Hilmi Gashi, der selbst als junger Mann aus Kosovo in die Schweiz kam, sagt: «In der Unia sind alle gleich, vom Sans-papier bis zur Schweizer Bürgerin. Alle dürfen mitmachen, mitwirken und mitbestimmen.» Das sei aber nicht überall so: «Migrantinnen und Migranten haben zusätzlich zu den Schwierigkeiten, die sich im Arbeitsumfeld für alle stellen, noch mit strukturellen Rahmenbedingungen des Ausländergesetzes zu kämpfen.» Diese Rahmenbedingungen gelte es zu verbessern.
MISSSTÄNDE
Könnte er sofort etwas ändern, würde er unter anderem veranlassen, dass ausländische Diplome in der Schweiz leichter anerkannt werden. Auch Hilmi Gashi, der sein Wirtschaftsstudium in Kosovo aus politischen Gründen abbrechen musste, hat jahrelang darum gekämpft, bis sein Gymnasialabschluss in der Schweiz anerkannt wurde. «Die restriktive Haltung der Schweiz degradiert unzählige gut ausgebildete Menschen zu Hilfspersonal, was sich natürlich auf ihre Löhne auswirkt.» Der 1. Mai sei eine Gelegenheit, um auf solche Missstände aufmerksam zu machen. «Es ist ein Ort der politischen Forderungen und soll eine Bühne sein für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sonst im Hintergrund agieren.»
Félicia Fasel (25), Leiterin IG «Unia Jugend»«Die kritischen Stimmen der Gesellschaft»
Foto: Tanja Lande
Die Jugenddiskriminierung in der Arbeitswelt und die psychische Gesundheit von jungen Menschen würden zu wenig thematisiert, ist Félicia Fasel überzeugt. Sie kennt diese Problematik aus eigener Erfahrung: «Während meiner Zeit an der Uni habe ich immer gearbeitet, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren», sagt Félicia Fasel. Das seien typische Studierendenjobs gewesen: auf Stundenbasis, schlecht bezahlt, viel Abend- und Wochenendarbeit. Oft fühlte sie sich dabei ausgenutzt und als Jüngste im Team nicht ernst genommen. «Deshalb setze ich mich bei der Unia für die Jugend ein.»
NEUE IDEEN
Zudem sei die Jugend oft die kritische Stimme der Gesellschaft und bringe neue Inputs in die Gewerkschaft ein, das mache die Arbeit spannend. Im Jugendsekretariat der Unia erhalten junge Menschen bis 30 Jahre Rechtsberatung und Unterstützung bei Mobbing, Rassismus oder sexueller Belästigung. In Regiogruppen können sie sich aktiv einsetzen.
VIERTAGEWOCHE
Was würde Félicia Fasel an der Arbeitssituation von jungen Menschen sofort ändern, wenn sie könnte? «Oh, vieles! Ich würde zum Beispiel eine Viertagewoche einführen. Gerade Auszubildende sind oft grosser Arbeitsbelastung ausgesetzt, sie haben doppelt so viele Arbeitsunfälle wie ausgebildete Berufsleute und stehen häufiger unter emotionalem Stress. Ausserdem hat sich der Stellenwert der Arbeit in der Gesellschaft verändert. Junge Menschen definieren sich nicht mehr ausschliesslich über ihren Job.» Zum Tag der Arbeit wünscht sich Félicia Fasel, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch bewusster werden, wie stark sie sind, wenn sie sich gemeinsam für ihre Anliegen einsetzen.