Putzen ist politisch

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Ein Swipe nach rechts zur Glückseligkeit. Oder zumindest die Hoffnung darauf. Was früher das Dorffest, sind heute Dating-Apps wie Parship, Tinder & Co. Der Wisch nach rechts bedeutet Interesse. Dieser digitale Weg in die Zweisamkeit wird von Jung und Alt rege genutzt. Und hat bereits Einzug gehalten in die Welt der Wissenschaft. So forscht Soziologin Lena Hipp am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozial­forschung zu Datingchancen und Berufswahl. Ihre ersten Forschungsergebnisse (präsentiert in einem Kurzvideo) zeigen: In der (digitalen) Partnerwahl sind wir stockkonservativ. Heteromänner wollen lieber eine ­Primarlehrerin als eine Ingenieurin daten, Heterofrauen interessieren sich umgekehrt mehr für den Ingenieur als den Primarlehrer.

UNGEFILTERT

Wirklich erstaunlich sind diese Forschungsresultate nicht. Zeigen sie doch ­ungefiltert, wo wir gesellschaftlich in Sachen Gleichstellung stehen. Hier die Frau, die sich kümmert, dort der Mann, der macht. Macht ist auch im Spiel: Ein Mann bandelt offenbar lieber mit einer Frau an, die ihm ökonomisch und ausbildungsmässig unterlegen ist. Umgekehrt sucht Frau die starke Männerschulter, weil sie alleine nicht stehen kann. Diese hartnäckigen Stereotype bestimmen unser Liebesleben, auch heute noch. Und sie spielen bei der Berufswahl junger Menschen nach wie vor eine Rolle, wie Soziologin Hipp schreibt. Was sich wiederum auf das Einkommen auswirkt: Frauen arbeiten häufiger Teilzeit und in Tielflohnjobs als Männer. Zum Beispiel in der Reinigung. Und auch hier geht’s um Macht.

HOCHROT

Wie bei der Putzfirma Batmaid (ja genau, das ist die Bude, für die Ex-Tennisstar Martina Hingis Werbung macht). Dort standen sich unlängst zwei sehr ungleiche Parteien vor Gericht gegenüber: auf der einen Seite der CEO, begüterter Industriellen-Sprössling. Auf der anderen Seite Fatimah Aden, Reinigerin, geflüchtet aus Somalia, mit dem prekären Aufenthaltsstatus F, ohne finanzielles Polster. Sie ­klagte, weil ihr Batmaid weder Transportkosten noch Reisezeit bezahlte und somit gegen den GAV der Reinigungsbranche verstiess. Und sorgte damit für hochrote Köpfe.

BLITZBLANK

Putzen ist politisch. So auch die Büroreinigung. Diese findet meist zu Randzeiten statt. Stöckelschuhgeherinnen und Anzugträger bekommen gar nicht mit, wer ihren Arbeitsplatz auf Hochglanz trimmt. Auch das ist Ausdruck eines Machtverhältnisses: Putzen erfährt generell wenig Wertschätzung, Frauen erledigen diese Arbeit oft unbezahlt, was sie gesellschaftlich abwertet. Kommt hinzu: Vor allem Migrantinnen arbeiten als Reinigerinnen. Das Beispiel Norwegen zeigt, dass Büroreinigung auch geht, ohne die Frauen an die Tagesränder zu verstossen und sie unsichtbar zu machen.

Für alle gut sichtbar und laut werden die Detailhändlerinnen Maryam Goudarzi und Kara ­Diggelmann am 14. Juni sein. Sie wollen endlich den Kunden als König stürzen. Und sie fordern: höhere Löhne, konkrete Massnahmen gegen sexuelle Belästigung, mehr Respekt, Schluss mit dem Tabuthema Menstruation. Alle feministischen Forderungen sollen in die GAV-Verhandlungen einfliessen, damit es endlich vorwärtsgeht: Damit sich die Arbeitsbedingungen der Frauen verbessern. Damit Gleichstellung endlich in den Köpfen der Menschen ankommt. Damit auch Ingenieurinnen nach rechts geswipt werden.

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