Pensionskassen-Funktionär greift Gewerkschaften an
Unia-Mann Ferrari ruft ASIP-Direktor zur Ordnung

Der Pensionskassenverband (ASIP) hat offenbar vergessen, dass er auch aus Altersguthaben der Lohnabhängigen finanziert wird. Und weibelt ungeniert für die BVG-Revision, von der nur die Finanzindustrie profitiert. Unia-Mann Aldo Ferrari hat Vorstand und Direktor jetzt auf die Finger geklopft: freundlich im Ton, deutlich in der Sache.

EIN NO-GO: Der ehemalige Unia-Vizepräsident Aldo Ferrari fordert mehr Zurückhaltung vom Direktor des Pensionskassenverbandes. (Foto: Keystone)

Der Schweizerische Pensionskassenverband (ASIP) ist der Dachverband von über 900 Pensionskassen. Sein Direktor heisst seit vergangenem Spätsommer Lukas Müller-Brunner. Und der weibelt jetzt offen für die BVG-Revision der bürgerlichen Parlamentsmehrheit. Diese hat eine milliardenteure Abbauvorlage gezimmert. Statt auf den ausgewogenen Vorschlag der Gewerkschaften und des Arbeitgeberverbandes einzutreten, wie es auch der Bundesrat wollte. Die Gewerkschaften haben in einer breiten Koalition mit SP, Grünen und Konsumentenschützerinnen gegen diese verunglückte Revision erfolgreich das Referendum ergriffen. Am 22. September hat das Volk das letzte Wort.

MEHR ZAHLEN FÜR WENIGER RENTE

Fakt ist: die Pensionskassenrenten sinken seit Jahren. Es gibt immer weniger Rente fürs Geld. Jetzt kommt es noch happiger. Mit der vom Parlament beschlossenen Senkung des Umwandlungssatzes sinken die Renten um bis zu 3200 Franken jährlich. Besonders betroffen sind Arbeitnehmende über 50 Jahre und die Mittelschicht. Aber auch Jungen drohen Renteneinbussen. Gleichzeitig bleibt das Problem des fehlenden Teuerungsausgleichs ungelöst – das trifft insbesondere die Rentnerinnen und Rentner. Und damit nicht genug: mit dem BVG-Bschiss steigen auch die obligatorischen Lohnabzüge. Die Beschäftigten sollen jährlich über 2Milliarden Franken mehr in die Pensionskassen einzahlen. Personen mit tiefen Löhnen sind besonders stark betroffen. Die Kosten pro Versicherte oder Versicherten steigen um bis zu 2400 Franken im Jahr. Die Renten werden um bis zu 3200 Franken gesenkt.

Von diesem BVG-Bschiss profitiert einzig die Finanzindustrie: Versicherungen, Banken und Makler können sich weiterhin ungehindert am Alterskapital der Versicherten bedienen. Schon heute stecken sie sich jährlich Milliarden in den Sack, die eigentlich den Versicherten gehören.

RESPEKTLOSER DIREKTOR

Und ausgerechnet für diese Vorlage weibelt ASIP-Direktor Lukas Müller. In einem Interview mit der NZZ zeigt er, der vom Arbeitgeberverband zum ASIP gewechselt hat, dass er das Ja des Volkes zur 13. AHV-Rente noch nicht verwunden hat. Er preist die verunglückte BVG-Revision, wie es eine Versicherungsmanagerin nicht schöner könnte. Er wiederholt die rechte Propagandathese über die AHV. Und er greift die Gewerkschaften frontal an.

LUKAS MÜLLER-BRUNNER: Weibelt offen für den BVG-Bschiss. (Foto: zvg)

Ein No-Go, findet nicht nur Aldo Ferrari. Ferrari ist ehemaliger Unia-Vizepräsident, seit vielen Jahren Mitglied mehrerer Pensionskassen-Stiftungsräte und ehemaliges Mitglied der BVG-Oberaufsichtskommission. Er weiss also, wovon er spricht, wenn er dem ASIP-Vorstand und Direktor Müller schreibt: «Die paritätische Verwaltung der beruflichen Vorsorge sollte Ausdruck der Sozialpartnerschaft sein. Indem Sie hinsichtlich dieser Abstimmung offenkundig Partei ergriffen haben, zeigen Sie, wie wenig Sie davon halten.» Das ist einer der Sätze, die im offenen Brief stehen, den Ferrari auch im Namen der Unia geschrieben hat. Ferrari weiter: «Der Anstand oder zumindest die intellektuelle Aufrichtigkeit hätte verlangt, dass Sie zu dem Zeitpunkt, zu dem das Stimmvolk aufgerufen ist, sich zur Vorlage zu äussern, gebührende Zurückhaltung walten lassen – wenn schon nicht aus Respekt vor der Parität von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden in den Organen der Institutionen, die Sie vertreten sollen, so doch zumindest aus Respekt vor den demokratischen Rechten.»

IMMER WIEDER AUFFÄLLIG

Ob sich Müller künftig zurückhalten wird, scheint fraglich. Denn in seiner noch nicht jährigen Amtszeit hat er bereits mehrfach gezeigt, dass er noch nicht im paritätischen System angekommen ist. Kurz vor der Abstimmung über die 13. AHV-Rente tat er kund, die Versicherten seien selber schuld an den sinkenden BVG-Renten, weil sie das Alterskapital zunehmend als Kapital bezögen; es gehe um einen «exorbitant hohen Betrag». Was Müller «vergass»: die Finanzindustrie drängt die Versicherten in Richtung Kapitalbezug. Denn damit macht sie ein noch besseres Geschäft. Sie kassiert weiter Gebühren. Das Anlage- und Versicherungsrisiko wandert zu den (ehemals) Versicherten. Das «Argument» verschwand dann – nach kurzem Aufflackern in der Wanner-Presse – rasch wieder aus der Debatte. In Bundesbern macht die Erklärung die Runde, Müller sei aus den eigenen Kreisen zur Ordnung gerufen worden. Ob der Ferrari-Brief ähnliches bewirkt, wird sich bis zum 22. September weisen.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.