Sechs konkrete Beispiele zeigen, wie prekär die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist
40 Bewerbungen, Schimmel und kein Zimmer für die Kinder

Die Caritas hat bei der Präsentation ihres Positionspapiers «Wie die Lage auf dem Wohnungsmarkt die Armut verschärft» (zum Artikel) auch konkrete Beispiele aus dem Beratungsalltag vorgelegt. work dokumentiert diese leicht gekürzt.

DEM MARKT AUSGELIEFERT: Fitsum, seine Frau Wezenet und ihre Tochter Yafet müssen sich eine 30-Quadratmeter-Wohnung teilen. (Foto: Caritas)

Zum Beispiel Fitsum:

Fitsum und seine Familie leben seit über zwei Jahren in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Zürich. Auf 30 Quadratmetern teilen sie sich zu dritt Wohnraum, Küche und Bad. Fitsum, seine Frau Wezenet und der zweijährige Yafet schlafen alle in einem Bett.

Die beengte Situation belastet die Familie. Yafet hat keinen Platz zum Spielen, und wenn er nachts aufwacht, weckt er alle. Fitsum und Wezenet können sich kaum zurückziehen oder ungestört unterhalten.

Trotz intensiver Suche – Fitsum hat in zehn Monaten über vierzig Wohnungen besichtigt – finden sie keine grössere Bleibe. Ihr schmales Budget, Fitsums Migrationshintergrund und der Bezug ergänzender Sozialhilfe erschweren die Suche zusätzlich.

Die Familie zahlt 1150 Franken Miete, fast die Hälfte ihres Einkommens. Fitsum absolviert eine Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt und verdient 1200 Franken im Monat. Die Sozialhilfe stockt das Einkommen auf.

Wezenet möchte arbeiten, um die finanzielle Situation zu verbessern, doch ohne Betreuungsmöglichkeit für Yafet ist das schwierig. Die beengte Wohnsituation belastet die ganze Familie. Trotzdem gibt Fitsum nicht auf: «Ich werde weitersuchen, bis wir etwas Passendes finden.»


Zum Beispiel Martina Fischer*:

Martina Fischer ist 34 Jahre alt und gelernte Kauffrau. Derzeit ist die Sachbearbeiterin stellenlos. Sie lebt mit ihrem 12jährigen Sohn Luca in der Region Luzern. Ihre Geschichte geht so: Martina Fischer und ihr Sohn reagierten allergisch auf einen Schimmelpilz in ihrer neuen Wohnung. Die Verwaltung war uneinsichtig und löste das Problem nicht nachhaltig – Frau Fischer war machtlos und so suchten sie eine neue Bleibe. Ein rascher Wohnungswechsel war bei der aktuellen Lage am Markt jedoch unmöglich. Während der Suche schliefen die beiden bei Bekannten, in Hotels oder Notwohnungen. Die Situation war so belastend, dass Frau Fischer ihren Job verlor. Innert vier Monaten war sie verschuldet, arbeitslos und gefühlt obdachlos. Ihr bitteres Fazit zu dieser Lebensphase: «Alle Versuche, die Vermieterschaft zur Rechenschaft zu ziehen und das Problem beheben zu lassen, scheiterten. Ich war ihr machtlos ausgesetzt.»

Bei der Caritas Luzern fand sie Unterstützung: Einige überfällige Krankenkassenrechnungen wurden bezahlt und gemeinsam ein Budget erstellt. Schliesslich konnten Mutter und Sohn im Mai 2024 eine neue Wohnung beziehen, allerdings ist sie zu teuer. Wie diese Situation langfristig funktionieren soll, weiss Martina Fischer nicht. Sie sagt:

Der Wohnungsmarkt ist ausgetrocknet und überteuert. Vermietende können die Preise immer weiter in die Höhe treiben. Sie finden immer Mieterinnen oder Mieter, auch wenn diese sich die Wohnung eigentlich gar nicht leisten können.

*Name geändert


Zwei Beispiele aus Genf …

  • 7300 Franken Lohn reichen nicht: Eine dreiköpfige Familie lebt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung (Küche, Schlafzimmer und Bad). Beide Elternteile sind berufstätig und verdienen den Mindestlohn. Um ihr zweites Kind in Folge eines Familiennachzugs aufnehmen zu können, benötigen sie eine Vier- oder Fünf-Zimmer-Wohnung. Eine Fünf-Zimmer-Wohnung kostet im Durchschnitt jedoch 2330 Franken pro Monat für neue Mieter. Für diese Familie, die 7300 Franken brutto im Monat verdient, macht dies 32 Prozent des Bruttoeinkommens aus. 
  • Kein Platz für die Kinder: Ein getrenntlebender Vater sucht eine Wohnung, damit seine beiden Kinder sich auch bei ihm aufhalten können. Seit seiner Trennung hat er keine feste Wohnung gefunden und lebt teilweise bei seiner Familie. Sein Einkommen ist minimal (4000 Franken im Monat) und er zahlt der Mutter seiner Kinder 550 Franken Alimente im Monat. Damit er seine Kinder angemessen beherbergen kann, bräuchte er mindestens eine Vier-Zimmer-Wohnung. Die durchschnittliche Miete dafür beträgt aber 1872 Franken im Monat, was 46 Prozent seines Einkommens entsprechen würde.

… und zwei aus Zürich

  • Frau S. lebt mit ihren beiden Söhnen in einer Vier-Zimmer-Wohnung. Ihre Überbauung wird per Ende September 2025 abgerissen. Für die jetzige Wohnung bezahlen sie 1480 Franken pro Monat. Mit dem monatlichen Haushaltsbudget von 4000 Franken (Lehrlingslohn des einen Sohnes, Lohn von Frau S. als Betreuungsassistentin) kann sich die Familie eine Wohnung für höchstens 1300 Franken leisten. Frau S. möchte so bald wie möglich ihre B-Bewilligung in einen dauerhafteren C-Ausweis umwandeln – dafür muss sie aber mehrere Jahre in der gleichen Gemeinde leben. Deswegen will sie unbedingt eine Wohnung in der Stadt Zürich finden.
  • Frau B. ist alleinerziehend und wohnt mit ihren beiden Kindern (7 und 12 Jahre alt) in einer Vier-Zimmer-Wohnung in der Stadt Zürich. Frau B. arbeitet in einer Kinderkrippe und ist auf Sozialhilfe angewiesen. Die jetzige Wohnung kostet 1810 Franken pro Monat und liegt damit 160 Franken über dem Mietzinslimit der Sozialen Dienste. Frau B. muss daher ein neues Zuhause suchen. Wenn sie keine passende Wohnung findet, muss sie den Differenzbetrag selbst bezahlen. Eine vergleichbare Wohnung zu einem günstigeren Preis zu finden, ist in der Stadt Zürich jedoch fast unmöglich. Darum sucht Frau B. Wohnungen ab drei Zimmern. Sie würde auch ihr eigenes Zimmer aufgeben und im Wohnzimmer schlafen, damit die beiden Kinder ein eigenes Zimmer hätten.

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