Reinigerinnen arbeiten frühmorgens oder spätabends, weil sie unsichtbar bleiben müssen. Auf Kosten ihres Familienlebens und ihrer Gesundheit. Dass es auch anders geht, zeigen jetzt Forschende am Beispiel von Norwegen.
UNABDINGBAR, ABER UNSICHTBAR: Reinigerinnen halten unsere Arbeitsplätze sauber; wer diese Menschen sind, wissen aber nur wenige, da sie meistens ausserhalb der Bürozeiten aktiv sind. (Foto: Keystone)
Wenn die Bürolistas morgens ihre PC hochfahren, ist ihr Arbeitsplatz blitzblank. Jeden Tag von neuem, wie aus Feen-Hand. Natürlich steckt keine Magie dahinter, sondern Knochenarbeit, meist von Frauen mit Migrationshintergrund für einen niedrigen Lohn geleistet. Sie reinigen die Büros, wenn schon längst niemand mehr oder noch niemand auf den ergonomischen Sesseln oder in den auf Hightech getrimmten Konferenzräumen sitzt. Sie arbeiten zu Randzeiten, um tagsüber niemandem in die Quere zu kommen. Sie müssen unsichtbar bleiben.
FORSCHUNGSWÜSTE
Das ist typisch für die Unterhaltsreinigung, also das Putzen von Büroräumlichkeiten oder Schulen, dem grössten Arbeitsbereich in der Reinigungsbranche. Weshalb die Reinigung im Verborgenen stattfinden muss und welche Auswirkungen diese Arbeit an den Tagesrändern auf die Betroffenen hat, darüber gibt es nur wenige wissenschaftliche Aussagen. Trotz der hohen Verbreitung von geteilten Diensten auch im Gastgewerbe, in der Pflege oder im öffentlichen Verkehr. Die Soziologin Karin Sardadvar von der Wirtschaftsuniversität Wien will das jetzt ändern. In ihrer Studie haben Sardadvar und ihre Mitautorinnen nicht nur über Reinigerinnen geschrieben, sondern auch mit ihnen gesprochen und sie auf ihren Arbeitseinsätzen begleitet.
WENIG WERTSCHÄTZUNG
Den Ursprung der geteilten Dienste sieht Sardadvar in den 1980er Jahren. Die Unternehmen hätten damals begonnen, Reinigungsarbeiten auszulagern. Dadurch ergab sich ein Dienstleistungsdreieck aus Reinigungsfirma, ihren angestellten Reinigerinnen und den Kundinnen und Kunden. Die Wünsche der Kundschaft wurden den Reinigungsunternehmen Befehl, auf dem Buckel der Reinigerinnen.
Die Verdrängung an die Randzeiten ist für Sardadvar auch Ausdruck eines Machtverhältnisses. Putzen erfährt generell wenig Wertschätzung, Frauen erledigen diese Arbeit oft unbezahlt, was sie gesellschaftlich abwertet. Kommt hinzu: Vor allem Migrantinnen sind in der Unterhaltsreinigung tätig, mit keinen oder niedrigen Bildungsabschlüssen (oder mit vorhandenen, aber nicht anerkannten Abschlüssen aus dem Ausland). Von Menschen also, die ohnehin verstärkt Diskriminierung erfahren.
Durch die Gespräche mit den Betroffenen hat Soziologin Sardadvar erfahren: Die Zeit zwischen den Diensten ist für die Reinigerinnen nicht erholsam, keine «richtige» Freizeit. Durch die Rückkehr zur Arbeit noch am selben Tag entsteht ein Druck, den sie als einschränkend empfinden. Betroffene erzählen etwa von der Mühe, viermal täglich den Arbeitsweg zurücklegen zu müssen, von der Hektik der Hausarbeit in der Pause und von der Belastung, wenn man die Kinder nur am Wochenende zu Gesicht bekommt.
ZEIT FÜR DIE TOCHTER
Dass es auch anders geht, zeigt Norwegen. Dort haben die Unternehmen bereits in den 1970er Jahren die Bedeutung von Hygiene in Innenräumen erkannt, eine wichtige Grundlage für die Förderung professioneller Reinigung. Gleichzeitig waren immer mehr Frauen berufstätig. Das führte zur Überzeugung, dass Frauenerwerbstätigkeit existenzsichernd sein sollte und nicht bloss ein Zuverdienst. Heute ist es in Norwegen üblich, dass die Reinigerinnen tagsüber arbeiten. In ihren Studien stellt Soziologin Sardadvar klar: Die Umstellung auf eine Tagreinigung braucht Zeit und eine gute Vorbereitung, sowohl der Reinigerinnen als auch der Kundschaft. Ansonsten, so Sardadvar, werden die Reinigerinnen weiterhin «unsichtbar gemacht».
Forschende haben zum Beispiel beobachtet, dass die Kundinnen und Kunden das Licht löschen, wenn die Reinigerin noch am Arbeiten ist. Für manche Reinigerinnen bedeutet die Sichtbarwerdung ihrer Arbeit auch eine deutlichere Wahrnehmung der fehlenden Anerkennung. Doch insgesamt waren die Reinigerinnen gesünder, zufriedener mit der Arbeit, es gab weniger Stellenwechsel, und sie empfanden mehr Wertschätzung ihrer Arbeit. Auch das Sozial- und Familienleben wurde besser. Eine Reinigerin erzählte: «Seit ich Tagesarbeitszeiten habe, nähere ich mich langsam wieder meiner jüngsten Tochter an, die sich während der Arbeit in geteilten Diensten von mir entfremdet hatte.»
Die ganze Studie gibt’s hier.