Malerin Evelyn Allemann liebt ihren Beruf. Einiges in der Branche macht sie aber hässig: zum Beispiel die Tatsache, dass vieles einfacher wäre, wenn sie statt einer Evelyn ein Remo wäre.
MEISTENS UNTER MÄNNERN: Evelyn Allemann wünscht sich, auf den Baustellen mehr Frauen anzutreffen. (Foto: Matthias Luggen)
work: Seit über zehn Jahren arbeiten Sie als Malerin. Was hält Sie in diesem Beruf?
Evelyn Allemann: Ich arbeite in einer kleinen Bude mit vielen Renovationsaufträgen für Häuser, die schon etwas älter sind. Die schönen alten Gebäude halten mich im Beruf, denn die Arbeit an solchen Objekten ist vielseitig. Zudem mag ich den Kontakt mit der Kundschaft. Da ich kreativer arbeiten möchte, mache ich zusätzlich eine Ausbildung als Gestalterin im Handwerk. Es wären so viele coole Arbeiten an Hausfassaden möglich. Speziellere Arbeiten werden aber leider nicht oft gebucht. Sicherlich auch, weil solche Aufträge teuer sind.
Wie empfinden Sie die Arbeitsbedingungen in der Branche?
Ich habe Glück und mein jetziger Arbeitgeber lässt Teilzeitarbeit zu. Bei früheren Arbeitgebern war das nie möglich. Die Situation im Sommer ist für viele Malerinnen und Maler untragbar. In dieser Zeit werden oft die maximalen Arbeitsstunden von 48 Stunden die Woche geleistet. Ein ehemaliger Chef sagte mir mal, dass dies normal sei in dieser Branche. Mir ging dann durch den Kopf, dass ich diese Arbeitsbedingungen trotzdem nicht gut finde. Deshalb bin ich froh um meinen jetzigen Arbeitgeber, der im Sommer zusätzliche Arbeitskräfte als Hilfe holt.
Im neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) soll die Reisezeit endlich zur Arbeitszeit zählen. Wie ist es bei Ihnen?
Bei früheren Arbeitgebern kam es oft vor, dass die Reisezeit nicht als Arbeitszeit verrechnet wurde. Wenn die Reisezeit unter 30 Minuten lag, galt das nicht als Arbeitszeit. Zudem war es normal, dass am Morgen und am Mittag beim Ein- und Ausladen des Materials die Zeit nicht erfasst wurde. Bei meiner jetzigen Arbeitsstelle ist das zum Glück nicht mehr so. Das Ein- und Ausladen von Werkzeug ist schliesslich nicht mein Hobby und sollte zur Arbeitszeit dazugehören.
Noch immer sind Malerinnen in der Minderheit. Wie erleben Sie Ihren Beruf als Frau?
Viele Leute sind freundlich und nehmen mich ernst. Es kommt aber immer wieder vor, dass mir Fähigkeiten abgesprochen werden und manche Menschen mir meinen Beruf nicht zutrauen. Das macht mich wütend. Ich frage mich dann immer, wie es wäre, wenn ich nicht eine Evelyn, sondern ein Remo wäre. Ich bin mir sicher, dass die Leute mir dann meine Arbeit zutrauen würden. Mehrfach erlebte ich, wie Kunden über mich sprachen und ich direkt danebenstand. Am Anfang war ich noch nett und habe verlegen gelächelt. Damit habe ich aber aufgehört, denn solche Kunden sind nicht nett zu mir. Dieses Denken ist teilweise noch sehr stark in den Köpfen der Menschen verankert. Mehr Sichtbarkeit von Malerinnen und Gipserinnen in der Öffentlichkeit würde sicherlich helfen. Denn es gibt gar nicht so wenige Frauen in diesem Beruf. Aber auf Baustellen sind sie kaum anzutreffen. Im letzten Jahr habe ich nur zwei Frauen angetroffen. Einmal eine Bodenlegerin und einmal eine Schreinerin. Ich freue mich aber immer darüber, wenn ich eine andere Frau auf dem Bau treffe.
Die Malerinnen und Maler fordern auch endlich mehr Ferien. Wie ist es bei Ihnen?
Wir haben 22 Tage – das sind vier Wochen. Bei meiner Weiterbildung gibt es Leute, die in anderen Berufen arbeiten und sieben Wochen Ferien haben. Das wäre auch für uns grossartig!
Und wie sieht’s aus mit den Löhnen?
Eine Lohnerhöhung ist zwingend nötig. Es wird alles teurer. Gerade mit der momentanen wirtschaftlichen Situation muss eine Lohnerhöhung stattfinden.
Sie sind Juso-Mitglied. Bekommt Ihre Büez in der Politik genügend Aufmerksamkeit?
Es geht. Was mir immer wieder auffällt, ist, dass oft über Themen gesprochen wird, von denen Politikerinnen und Politiker wenig Ahnung haben. In der Politik sollten Büezerinnen und Büezer aus allen Branchen mehr zu Wort kommen.
Unia-Mitglied: Engagiert und musikalisch
Evelyn Allemann, 1994 geboren, arbeitet seit 2014 als Malerin. Neben ihrem Beruf spielt sie Schlagzeug in einer lauten Band und engagiert sich in der Kulturbranche. Seit 2017 ist sie Unia-Mitglied.