Vieles bewegt sich gleichzeitig: Die Schweiz hat offenbar zu viele Spitäler. Das Land baut zu wenig Wohnungen. Und das neue Konkursrecht verändert noch einmal alles. Was läuft da gerade?
PLEITE-SPITAL WETZIKON ZH: Vermutlich braucht es noch weitere Wetzikons, damit flächendeckende Planung die Unvernunft des Marktes ersetzt. (Foto: Keystone)
Die Steiner AG war und ist eine der ganz grossen Nummern auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Indisches Kapital kontrolliert das Unternehmen. Jetzt verlangt die Steiner AG eine Nachlassstundung. Das Bezirksgericht hat sie provisorisch gewährt. Und alle zittern: Die Banken und Pensionskassen werden Abschreiber machen müssen. Handwerkerinnen und Handwerker auf einem Teil ihrer Rechnungen sitzen bleiben. Sie können die Steiner AG vorläufig nicht einmal mehr betreiben.
Handwerkerfirmen, die zu wenig Liquidität haben und absehbar erst noch Geld verlieren, erhöhen den Druck auf ihre Lohnabhängigen. Von daher macht das neue Konkursrecht auch den Gewerkschaften das Leben schwerer. Gerettet wird mit den Nachlassstunden in Eigenregie das Kapital, auch das indische Kapital, aber
auch auf Kosten der Arbeitenden.
Klimaneutrale Akutspitäler. Das Spital Wetzikon ZH ist nicht die Ursache der faktischen Steiner-Pleite. Warum? Es geht bei Steiner um 5 Milliarden – und der offenbar unnötige Spitalneubau Wetzikon fällt mit seinen 75 Millionen ökonomisch nicht ins Gewicht. Aber weitere Probleme werden sichtbar.
Erstens haben wir in der Schweiz viel zu viele Akutspitäler. 40 neue, endlich klimaneutrale (!) Akutspitäler mit je 500 Betten würden für eine optimale und kostengünstige stationäre Versorgung der Schweiz ausreichen. Und den heutigen Pflegenotstand weitgehend beheben. Viel Arbeit für eine innovative Bauwirtschaft. Daneben braucht es an vielen der heutigen Standorte durchgehend geöffnete Notfallstationen.
Zweitens braucht die Schweiz eine nationale Planung für Akutspitäler. Mit einer Aufteilung und Konzentration der spezialisierten Eingriffe und Behandlungen.
Drittens müssen zumindest Akutspitäler zwingend öffentlich sein. Sonst funktioniert das Ganze nicht. Es macht keinen Sinn, auf Kosten von uns Prämienzahlenden jede Menge Privatspitäler durchzufüttern.
Wird die Bauruine Wetzikon zum Umdenken führen? Gemeinden, Kantone, Banken und Pensionskassen werden in Sachen Finanzierung vorsichtiger werden. Aber vermutlich braucht es weitere Wetzikons, damit flächendeckend
Planung die Unvernunft des Marktes ersetzt.
VORBILD WIEN
Wien ist eine Drei-Millionen-Stadt. Bei den meisten weltweiten Umfragen in Sachen Lebensqualität landet Wien auf dem ersten Platz. Auch wegen der günstigen Mieten. 30 Prozent der Wiener Mietwohnungen gehören der Stadt. Weitere 30 Prozent den Wiener Genossenschaften. Wer Geld hat, kann sich auch eine Wohnung kaufen. Die Stadt schafft mit und dank Einzonungen neue, gut erschlossene Quartiere. Und legt fest, wie viel sozialer Wohnraum jeweils geschaffen werden muss.
Die zehn grössten Schweizer Städte werden von Rot-Grün regiert, Lugano ausgenommen. Sie könnten viel von Wien lernen. Unter anderem: Es geht nicht ohne Einzonungen, sonst fressen die Bodenpreise mehr als die Hälfte der Erstellungskosten. Weil es zu wenig Bauland gibt. Und dies alles auf Kosten der Lohnabhängigen, die unter den zu hohen Mieten leiden. Statt überrissene Bodenrenten zu finanzieren, braucht es klimaneutrale Neubauviertel. Mehr Arbeit für den Bau, mehr Geld für Plus-Energie-Bauten und weniger für die Bodenspekulation.
EIN BLICK ZURÜCK
Bauernkriege waren die Klassenkämpfe ihrer Zeit. Vor 500 Jahren kam es zu den ersten grossen Bauernkriegen. In Deutschland, aber auch in der Schweiz. Es ging vorab um den Zehntel, den die oft leibeigenen Bäuerinnen und Bauern ihren Herren abliefern mussten. Die Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Vielleicht müssten die Fortschrittlichen in der Schweiz an diese Tradition erinnern, um die Bodenfrage radikal neu zu stellen.
Links zum Thema:
- rebrand.ly/landkauf-witikon Die Stadt Zürich kauft im Quartier Witikon für 211 Millionen Franken von der Swisscanto ein 30 000 Quadratmeter grosses unbebautes Areal, um 317 Wohnungen zu erstellen. Absurde 680 000 Franken Bodenpreis pro Wohnung! Und somit mehr als 7000 Franken pro Nettowohnfläche. Geht es einfach nicht anders? Selbstverständlich, wie Wien beweist! Mehr Arbeit für den Bau, für Plus-Energie-Bauten und weniger für die Bodenspekulation.