Laura mal laut
Laura und der Konsumwahnsinn

Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Viele um mich herum haben sie. Die Apps der Billiganbieter Shein und Temu oder wie sie alle heissen. Einige liefern direkt aus China nach Hause, ohne Zwischenhändler. Deshalb sind die Preise supergünstig und die Qualität okay, vergleichbar mit Fashionriesen wie H & M und Co. Also schaute ich aus Neugierde eine solche App an und erschrak. Keine 10 Franken für einen Pulli. Eine Reportage von einem Reise-Influencer geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Der schlich sich irgendwo in Asien in eine Kleiderfabrik ein und filmte Kinder und Jugendliche bei der Arbeit! Die Arbeitsbedingungen sind schrecklich, und sie arbeiten neun Stunden und länger für einen Hungerlohn.

GRÜNGEWASCHEN

Ich suchte weiter. Was kostet ein Pulli, Fairtrade, bio, nachhaltig und so weiter? Ich erschrak nochmals. Ab 80 Franken, gerne auch über 100 Franken. Wenn ich mir das leisten könnte, klar. Trotzdem stelle ich mir die Frage, ob das Geld wirklich dahin kommt, wo es sollte, zu den Arbeitnehmerinnen. Es ist nicht immer Gold, was glänzt. Das wissen wir Arbeiterinnen und Arbeiter nur allzu gut. Und die Nachhaltigkeit, auch so ein Thema. Die grossen Unternehmer in dieser Fast-Fashion-Welt geben ein Vermögen für das Marketing aus, um sich grün und nachhaltig zu geben, und setzen aber keines ihrer Versprechen um. Greenwashing nennt sich das.

VÖLLIG ABSURD

Besonders schlimm ist, was mit den Retouren passiert. Diese werden oft nicht weiterverschickt, sondern landen irgendwo auf der Welt auf Deponien und verpesten die Umwelt. Zalando hat fahrende Lager. Die Ware macht Tausende Kilometer, bis sie bestellt wird. Das ist günstiger. Dies stellten 2023 Journalistinnen in Deutschland für die «Zeit» fest, als sie Artikel mit Trackern retournierten und verfolgen konnten. Die Ergebnisse waren unschön: Die retournierten Artikel legten teilweise lange Wege quer durch Europa zurück, und viele Kleider wurden direkt vernichtet (nachzulesen hier).

Hier steigen die Lebenskosten, und wir als Geringverdienende werden fast gezwungen, uns an Billiganbieter zu wenden. Völlig absurd. Meinen Konsum habe ich wegen der steigenden Kosten drastisch reduzieren müssen. Für den nachhaltigen Bio-Fairtrade-Pulli habe ich kein Geld. Aber ich weigere mich, diese Apps zu nutzen. Ich setze, wenn möglich, auf Tauschbörsen, secondhand und Tausch mit Freundinnen. Und vor allem recherchiere ich genauer, bevor ich was bestelle. Ich versuche meinen ökologischen Fussabdruck so gering wie möglich zu halten. Gut fürs Portemonnaie, für die Umwelt und für mein gewerkschaftliches Herz.

Illustration: Laura Gonzalez Martinez

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.