Besuch in der wachstumsstärksten Unia-Region der Schweiz
Mit der flotten Biene zum Erfolg

Keine andere Region hat im letzten Jahr so viele ­Neumitglieder angezogen wie die Unia im Wallis. work war mit Sektionsleiter Martin ­Dremelj und Unia-Industriefrau Barbara Lanthemann auf Spritztour durch die Boomstadt Visp und durchs Mattertal.

BLICK AUF VISP: Die Lenza-Bauten dominieren das Stadtbild. (Foto: Iwan Schauwecker)

Vor dem roten Häuserblock unweit des Briger Bahnhofs steht ein Unikat – nämlich ein knütschroter Ape-Kleintransporter mit der Aufschrift «Für soziale Gerechtigkeit» in drei Sprachen, Deutsch, Französisch und Italienisch. Hersteller Piaggio hatte die dreirädrige Ape (italienisch für Biene) als gschaffig-proletarisches Pendant zur urban-flinken Vespa (Wespe) konzipiert. Das passt, denn hier ist auch das Büro der Unia, wo Martin Dremelj die Sektion Oberwallis leitet. Dremelj verbindet eine langjährige Geschichte mit dieser Ape – und mit der Unia. Bevor Dremelj in seine Walliser Heimat zurückkehrte, arbeitete er für die Unia in Biel, welche die «Biene» in ihren Diensten hatte. Dremelj ­­war so begeistert von dem dreirädrigen Gefährt, dass er es der Unia Biel abkaufte und vor fünf Jahren in seine Walliser Heimat überführte. Seither leitet Dremelj die Sektion Oberwallis – und das mit Erfolg! Die Unia im Kanton Wallis konnte im letzten Jahr 1942 neue Mitglieder dazugewinnen und um 4,2 Prozent wachsen, so stark wie keine andere Region der Unia. «Wir kennen die Bedürfnisse der Leute und wir reagieren zeitnah», sagt Dremelj zu ihrem Erfolgsrezept. Zudem gebe es auch eine sehr engagierte Gruppenarbeit, für die es im Oberwallis kaum Alterna­tiven gebe. In unverkennbarem Walliserdeutsch sagt Dremelj: «In diesem stockkonservativen Tal waren wir die erste Unia-Sektion der Schweiz mit einer LGBTQ-Gruppe. Mit den Veranstaltungen unserer Gruppen erreichen wir auch immer neue Leute.»

BZZZ…: Die Unia-Ape (ital. für Biene) ist im Oberwallis unterwegs. (Foto: Unia)

INDUSTRIESTADT VISP

Dremelj fährt zusammen mit der Unterwalliser Unia-Frau Barbara Lanthemann die kurvenreiche Strasse hoch zu einem Aussichtspunkt oberhalb von Visp. Von hier ist die Grösse und das Wachstum der Biotech- und Pharmafirma Lonza gut erkennbar. Fast die halbe Stadt ist heute mit den Industrieanlagen der Lonza über­baut. Der Konzern mit weltweit 18 000 Mitarbeitenden wurde 1897 im Wallis gegründet. Das Wasser und die Wasserkraft bleiben bis heute der Hauptgrund, warum die Lonza diesen Standort gewählt hat und ihn weiter ausbaut», sagt Dremelj. Mit den neuen Produktionshallen und der Herstellung des Moderna-Impfstoffs kam es in Visp zu einem enormen Zustrom von Arbeitern und Arbeiterinnen. Doch der Boom ist aus gewerkschaftlicher Sicht zweischneidig: Nur noch 1200 Personen arbeiten unter einem GAV, während 3000 Leute mit Einzelarbeits­verträgen (EAV) angestellt sind. Durch die zahlreichen Firmenübernahmen in der Chemiebranche werden die Kollektivverträge in Mitleidenschaft gezogen. Bei Lonza wurden über 1000 Mitarbeitende in die Firma Arxada ausgegliedert. Arxada wird von zwei Investmentgesellschaften aus England und den USA kontrolliert. Seither befänden sich die ehemaligen Lonza-Mitarbeitenden in einem luftleeren Raum und die Firmenleitung ignoriere die Betriebskommission, sagt Dremelj. «Wir organisieren die Belegschaft und gingen vor Schieds­gericht, weil wir mit dem neuen Betriebsreglement der Firma nicht einverstanden sind.»

AUF ERFOLGSKURS: Martin Dremelj leitet die Unia-Sektion Oberwallis, Barbara Lanthemann ist bei der Walliser Unia für den Sektor Industrie verantwortlich. (Foto: Iwan Schauwecker)

NÄHE ZU DEN LEUTEN

In der Altstadt von Visp hat die Unia ebenfalls ein kleines Büro und bietet Sprechstunden an. Und die Unia-Ape kommt auf dem Dorfplatz für Unterschriftensammlungen zum Einsatz. Oder bei Standaktionen. «Manchmal verladen wir die Ape auch auf den Zug nach Domodossola und setzen sie dort in Szene», sagt Dremelj. Das sei super Werbung, wenn man die Frontalieri, die Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus Italien, auch an ihrem Wohnort ansprechen könne. Wichtig sei die Nähe zu den Leuten. So bietet die Unia auch in Zermatt Sprechstunden an. «Dort haben wir sehr viele Leute, vor allem Portugiesinnen und Portu­giesen, die im Gastgewerbe arbeiten und ihre Rechte oft nicht kennen.»

ANTIRASSISTISCHES FUSSBALLTURNIER

Fahrt Richtung St. Niklaus: Im 2200-Seelen-Dorf auf 1100 Metern über Meer steht die ­Scintilla-Fabrik, die Sägeblätter für die berühm­ten Bosch-Maschinen herstellt (work berichtete). Dremelj und Lanthemann verteilen vor dem Fabrikeingang Infoblätter zur Rückerstattung der Solidaritätsbeiträge. Insgesamt 800 Angestellte hat die Fabrik im engen Tal. Viele kommen auch hier aus Domodossola und haben bis zu drei Stunden Arbeitsweg pro Tag. «Gib deiner Arbeit eine Stimme», sagt Dremelj zu den jungen Fabrikarbeitern, die gerade aus der Werkshalle kommen. «Bist du schon Mitglied? Es reicht nicht, dass nur deine Eltern Mitglied sind!»

Ein Bosch-Arbeiter ruft: «Wann macht ihr wieder mal dieses Grümpelturnier?» Dremelj hat mit der Unia Jugend 2009 den «Antira-Cup» gegründet, ein Fussballturnier gegen Rassismus. Bis zur Coronapandemie war der Cup ein wichtiges kulturell-sportliches Angebot im Tal. Doch nach der Pandemie fehlte es an Energie, um den Cup wiederzubeleben. Dremelj: «Vielleicht organisieren wir bald mal ein antirassistisches Pétanqueturnier, da ist die Verletzungsgefahr etwas geringer und es ist weniger hitzig als Fussball.»

INVESTITION IN DEN SEKTOR INDUSTRIE

«Die Unia muss investieren, wenn wir etwas erreichen wollen», sagt Dremelj. Seit zwei Jahren läuft das Projekt «Industrie Visp», für das die Unia zusätzlich zwei Personen mit je einem 50-Prozent-Pensum angestellt hat. «Mit diesen neuen Mitarbeitenden können wir gezielt neue Mitglieder in der Industrie anwerben und unsere Angebote ausbauen», sagt Dremelj. Allein mit Kultur und Nähe zu den Leuten lasse sich der Erfolg auch nicht erklären. Und liegt’s doch auch am kultigen Dreiräder? Dremelj lacht: «Ja, die Ape ist eine treue Mitstreiterin geworden!»

Unia: Stabilisierung der Mitgliederzahlen

Zwischen 2005 und 2020 nahm die Zahl der Mitglieder der Unia von 203 000 auf 182 000
ab. Erst nach der Coronapandemie stabilisierten sich die Zahlen bei 174 450 Unia-Mitgliedern Ende 2023. Der mitgliederstärkste Sektor ist inzwischen der Dienstleistungssektor mit
53 000 Mitgliedern, was 2023 einem Plus von 715 Personen (+1,4 Prozent) entspricht. Für
jedes neu geworbene Mitglied erhalten Mitglieder eine Werbeprämie von 100 Franken (50 Franken für Lernende).

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