Belästigungen und Übergriffe gehören in Küchen zum Alltag
«Nur wer hart und krass ist, kommt durch»

Über zehn Jahre ­arbeitete ­Gianna Dachs (34) als Köchin. Jetzt hängt sie den Kochhut endgültig an den ­Nagel: Weil sie die Nase gestrichen voll hat von Handgreiflichkeiten, Beleidigungen und sexueller Belästigung.

VORSICHT: Mit Hitze können Köche umgehen, bei den richtigen Umgangsformen hapert es leider zu oft. (Foto: Adobe Stock)

«Hätte ich gewusst, was mich im Beruf als Köchin erwartet, hätte ich einen anderen Werdegang eingeschlagen.» Zu dieser Einsicht gelangt Gianna Dachs* (34) aus Zürich nach zehn Jahren im Gastgewerbe. Mit 16 Jahren hat sie eine Lehre als Köchin gestartet. Die Belästigung begann bereits in der Ausbildung: «Hinter meinem Rücken diskutierten die Köche, wer mich wohl als erster ins Bett kriegen und wie mein Intimbereich aussehen würde», erzählt sie aus ihrer Lehrzeit.

Von diesen grenzüberschreitenden Gesprächsthemen erfuhr die Jugendliche von ihrem Oberstift. Dieser setzte sich auch für sie ein und wies die Köche zurecht. «Hätte ich mich alleine als junge Frau gewehrt, hätte mich niemand ernst genommen.» Denn die Hierarchie sei in den Küchen ganz klar: Lernende und Frauen stehen an letzter Stelle. Ein Mitschüler von Dachs musste die Lehre sogar abbrechen, weil er von Mitarbeitenden geschlagen wurde. «Die Atmosphäre in den Küchen ist ständig angriffig und angespannt.»

KEINE FRAGE VON HÄRTE

Mit dem Ende der Lehre hörten die Übergriffe jedoch nicht auf. Als Köchin arbeitete Dachs schon in vielen Betrieben. In Hotelküchen, in Restaurants und in Altersheimen. Während Gastrobetriebe in konservativeren Kreisen sexuelle Belästigung aus Angst vor Imageschaden schnell angehen, werden in alternativen Gastrokreisen Belästigungen viel länger toleriert. «Rauer Ton und übergriffiges Verhalten gehören zum Job. Nur wer hart und krass ist, kommt durch. Und wer sich als Mimose entpuppt, wird nur noch mehr in eine Opferrolle gedrängt.» Das kritisiert sie sehr, denn: «Welchen Beruf man wählt, sollte nicht eine Frage von Härte sein.»

Nach zehn Jahren im Beruf entschloss sich die junge Köchin, den Beruf aufzugeben. «Es ist sehr ermüdend, täglich bei der Arbeit sexualisiert zu werden. Hinzu kam, dass ich als Frau trotz viel Berufserfahrung kleingehalten wurde», sagt sie. Es fing schon bei Banalitäten an: Trotz mehreren Jahren Berufserfahrung traute ihr ein Kollege nicht zu, den Schnittlauch richtig zu schneiden.

Doch Dachs ist es wichtig, nicht alle Köche in den gleichen Topf zu werfen. «Es gibt natürlich auch anständige Kollegen. Und viele Köche haben selber Gewalt, Diskriminierung und Ausbeutung erlebt. Um Stärke vorzugaukeln, verhalten sie sich jetzt selbst so.» Um an der Machokultur in den Küchen etwas zu ändern, brauche es Änderungen, die auch im stressigen Küchenalltag umsetzbar sind.

Das sei umso wichtiger, weil in den ­Küchen auch viele Migrantinnen und Mi­granten in Hilfspositionen arbeiteten und Diskriminierung und Ausbeutung erlebten. «Teilweise sind die Lebensumstände der Hilfsköchinnen und -köche sehr prekär. Mehr Verständnis und Sensibilisierung sind dringend notwendig.» Das ist einer von vielen Gründen, weshalb Dachs Mitglied bei der Unia ist und sich unter anderem am Frauenstreik für Gleichberechtigung einsetzt.

MEHR AUFKLÄRUNG

Es ist wichtig, bereits bei der Berufswahl offen darüber zu sprechen, wie das Arbeitsklima in einer Küche ist. Neben den Betrieben solle auch die Berufsschule Themen wie sexuelle Belästigung, Gewalt und Diskriminierung thematisieren. «Als junger Mensch getraut man sich nicht, sich zu wehren. Das ist fatal!» Doch Dachs beobachtet immer häufiger, dass jüngere Menschen offener mit Benachteiligung umgehen und sich immer mehr zu wehren versuchen.
Die Stelle in der Küche eines Kinderhortes war für Dachs die letzte in der Branche. Die Arbeit mit Kindern weckte in ihr die Motivation, einen neuen Berufsweg einzuschlagen: sie möchte Lehrerin werden. Kochen gehöre aber weiterhin zu ihrer Leidenschaft. Zu Hause bekocht sie gerne ihre Mitmenschen mit Gratin – garniert mit perfekt geschnittenem Schnittlauch.

*Name geändert


Platzer macht Platz: Wer wird neuer Präsident?

Jetzt muss Casimir Platzer definitiv seinen Platz räumen. Bereits 9 Jahre ist er Präsident von Gastrosuisse, dem Arbeitgeberverband für Hotellerie und Re­stauration. Gerne würde er noch länger im Chefsessel sitzen bleiben, doch eine ausserordentliche Delegiertenversammlung versalzte ihm die Suppe und sprach sich gegen eine ausserordentliche Verlängerung der Amtszeit aus.

Anwärter für den neuen Chefposten sind Massimo Suter und Beat Imhof. Suter kennt als Vizepräsident von Gastrosuisse den Arbeitgeberverband ganz genau. In einem Interview im «Gas­trojournal» erklärt der Tessiner: «Ich stehe für Kontinuität. Das heisst: Kontinuität ja, aber mit Innovationen und ohne Revolutionen.» Damit verspricht Suter, den Arbeitgeberverband ähnlich konservativ zu führen wie der aktuell amtierende Präsident Platzer. Politisch steht Suter «zwischen» der SVP und der FDP. Zudem prahlt er mit einem Bundeshausbadge und damit, per du zu sein mit Bundesrat Ignazio Cassis.

NEUES IMAGE

Beat Imhof hingegen ist politisch weniger erfahren als Suter. Für ihn ist klar: Die Wahl des neuen Präsidenten von Gastrosuisse sei eine Richtungswahl. «Entweder bleibt vieles, wie es war, oder die Delegierten wollen mit mir einen Neustart», sagt er gegenüber der «Winterthurer Zeitung». Weiter meint er, dass der Arbeitgeberverband ein neues Image brauche, denn das jetzige wirke verstaubt. Das Duell zwischen Suter und Imhof wird am 18. Juni entschieden.

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