Krise im Jura
2000 Uhrmachern droht Kurzarbeit

Teile der Schweizer Uhrenindustrie kriseln. Im Jura haben bereits Dutzende Zulieferbetriebe Kurzarbeit angemeldet. Die Unia Transjurane ist alarmiert.

KRISE BEI DEN UHRMACHERN. (Foto: keystone)

Die dreiwöchigen Uhrmacherferien sind in vollem Gange. Und trotzdem sind im Uhrenkanton Jura die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht wirklich entspannt. Denn einige von ihnen erwartet nach den Ferien Kurzarbeit. Heisst: Zuhause bleiben bei 20 Prozent Lohnreduktion. Der Rückgriff auf das Jobsicherungsmittel der Kurzarbeitsentschädigung – bezahlt wird diese von der Arbeitslosenkasse – begründen die Unternehmen mit der schlechten Wirtschaftslage zu Beginn des Jahres.

Bei der Unia Transjurane ist man sich der Situation bewusst. Regionalsekretärin Rébecca Lena sagt:

Wir haben den Wind bereits im Frühjahr gespürt. Damals beendeten die Unternehmen im grossen Stil die Verträge mit den temporär Beschäftigten.

Betroffen seien vor allem französische Grenzgänger gewesen. Allgemein setze die Uhrenindustrie je länger je mehr auf Temporäre. Denn: «Sie haben nicht die gleichen Arbeitsbedingungen wie die Festangestellten und dienen als Anpassungsvariable: Ihr Einsatz kann von einem Tag auf den anderen beendet werden.» Und nun auch noch die Kurzarbeit; sie sei bloss der nächste Schritt im gegenwärtigen Krisenverlauf. Lena: «Unsere Befürchtung ist, dass es so weitergeht. Wir sind mit einer grossen Unsicherheit konfrontiert.»

2000 Angestellte von Zulieferern betroffen

Das Amt für Wirtschaft und Beschäftigung des Kantons Jura bestätigt den Anstieg der Kurzarbeitsanträge. Der zuständige Beamte, Gilles Coullery, sagt: «Es ist noch zu früh, um klare Zahlen zu nennen, aber etwa 40 Unternehmen mit rund 2000 Beschäftigten haben einen Antrag auf Kurzarbeit gestellt.» Dies bedeute aber nicht, dass alle Unternehmen auch Gebrauch von der Kurzarbeit machten oder dass die Betriebe an allen Tagen stillstünden. Trotzdem muss Coulleray einräumen, dass mit den voraussichtlich 2000 Kurzarbeitenden ein grosser Teil des Sektors betroffen ist. Allerdings habe der Jura schon Schlimmeres erlebt. «Wir sind an diese Schwankungen in der Uhrenindustrie gewöhnt. Von 2009 bis 2010, nach der Subprime-Krise, hatten wir mehr als 5000 Beschäftigte in Kurzarbeit.» Coullery gibt ausserdem zu bedenken, dass die Krise nicht alle Unternehmen betreffe, sondern primär jene des mittleren Preissegments, während es der Luxusuhrenindustrie gut gehe. Und noch etwas betont Coullery: «Betroffen sind nur die Zulieferfirmen, aber nicht die Uhrenmarken selbst. Bei den Zulieferern sind aber auch Grosse mit vielen Mitarbeitenden betroffen.»

Problem der überfüllten Lager

Unia-Frau Lena erklärt, wie es zur aktuellen Situation gekommen ist: «Nach der Corona-Pandemie und den angekündigten Energieengpässen gerieten die Unternehmen in Panik, weil sie keine Vorräte mehr hatten. Die Lager wurden aufgefüllt und jetzt sind es die Bestellungen, die knapp sind, also befinden wir uns in einer komplizierten Situation.» 

Da im Kanton Jura viele Zulieferer angesiedelt sind, die direkt von Aufträgen der Uhrenmanufakturen abhängen, ist die Region immer die erste, die von den Krisenwellen betroffen ist. Gilles Coullery ist jedoch zuversichtlich:

Sobald die Lagerbestände aufgebraucht sind, wird es wieder aufwärts gehen, aber die Verkäufe müssen wieder steigen: Das zweite Halbjahr 2024 wird eine Schlüsselrolle spielen.

Doch was ist mit den anderen Westschweizer Kantonen? Wird die neuen Krisenwelle auch sie tangieren? Das Ende der Uhrmacherferien am 2. August wird es zeigen.

Teilzeit statt Kurzarbeit:

Die Tessiner Uhrenindustrie macht’s anders

Vor einigen Tagen gab die Swatch Group bekannt, dass ihr Reingewinn im ersten Halbjahr um 70,5 Prozent gesunken sei. Der Grund: In China und Asien sei die Nachfrage nach Luxusgütern allgemein zurückgegangen. Auf Anfrage erklärte die Swatch Group, sie habe «bewusst auf Entlassungen verzichtet, um die finanziellen Auswirkungen kurzfristig abzufedern». Stattdessen verfolge man eine andere Strategie. Nämlich «die Produktionskapazitäten zu erhalten und sich nicht von qualifiziertem Personal zu trennen». Dies mit dem Ziel «schneller wieder auf die Beine zu kommen und stärker vom nächsten Aufschwung zu profitieren».

Tessiner helfen Jurassiern

Im Tessin ist die Swatch Group mit rund 600 Angestellten der grösste Arbeitgeber unter dem Uhren-GAV. Produziert wird in zwei Montagebetrieben in den Grenzgemeinden Stabio und Genestrerio. Auffällig: Im ganzen Kanton konnte Kurzarbeit bisher vermieden werden! Und zwar durch drei Massnahmen, wie Unia-Sekretär Matteo Poretti erklärt: «Erstens hat Swatch Teilzeitarbeit auf freiwilliger Basis gefördert.» Davon profitierten zurzeit zwischen 80 und 100 Arbeitnehmende.

Zweitens hätten Westschweizer Uhrenfirmen, die die Verträge mit ihren Temporärarbeitenden gekündigt haben, auf Festangestellte aus dem Tessin zurückgegriffen. Diese seien nun punktuell zur Verstärkung der lokalen Teams herangezogen worden.

20-Stundenwoche möglich

Der dritte Grund liegt in einem Sozialpartner-Kompromiss: Für Tessiner Arbeitgeber ist es jetzt möglich, die Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche auf 20 Stunden zu senken, wobei sie den Lohn zu 100 Prozent weiterzahlen müssen. Die Negativstunden dürfen aber die Zahl 100 nicht überschreiten und müssen bis April 2026 nachgeholt werden. «Das ist der Kompromiss, den wir gefunden haben, um Entlassungen und Kurzarbeit zu vermeiden», erklärt Unia-Mann Poretti. Im Moment mache er sich keine allzu grossen Sorgen, «aber wenn die schlechte Wirtschaftslage bis 2025 anhält, sieht die Sache schon anders aus!»

* Dieser Artikel erschien zuerst in der französischsprachigen Unia-Zeitung «L’Événement syndical».

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