Rekordarbeitszeit der Griechen steigt und steigt
6-Tage-Woche in Griechenland: Bayern-Söder neidisch

Seit dem 1. Juli gilt in Griechenland die 6-Tage-Woche. Während die Gewerkschaften Proteste vorbereiten, gibt es Applaus aus Deutschland. 

39,8 Stunden arbeiten Griechinnen und Griechen im Schnitt pro Woche. Das ist die höchste Arbeitszeit aller EU-Länder und auch mehr als der Schweizer Durchschnitt, der bei 36,2 Stunden liegt. Viele Menschen kommen mit ihrem Lohn nicht über die Runden und leisten deshalb Überstunden oder haben noch einen oder zwei Nebenjobs. Doch statt einer Erhöhung des Mindestlohns und einer Reduktion der regulären Arbeitszeit gibt es jetzt ein neues Arbeitsgesetz mit rekordhoher Arbeitszeit.

48 Stunden pro Woche

Seit Anfang Juli ist in Griechenland die 6-Tage-Woche und eine wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 48 Stunden erlaubt. Die griechische Regierung unter dem konservativen Premierminister Kyriakos Mitsotakis will mit dem neuen Arbeitsgesetz angeblich den Fachkräftemangel und die Schwarzarbeit bekämpfen. Was bisher nur in der Gastronomie und im Tourismus erlaubt war, wird mit dem neuen Gesetz auch auf Fabriken und die Landwirtschaft ausgeweitet. «Das Gesetz besagt eigentlich, dass die 6-Tage-Woche nur in Ausnahmefällen gilt. Aber wir gehen davon aus, dass diese Ausnahmeregel zur neuen Regel wird», sagt Elli Varchalama, Juristin des griechischen Gewerkschaftsbundes GSEE.

VERHEERENDE GESETZESÄNDERUNG. Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis will, dass Büezer noch mehr arbeiten. (Foto: keystone)

Ausbeutung statt Einverständnis

Für die zusätzlichen acht Stunden erhalten Arbeiterinnen und Arbeiter 40 Prozent und an Sonntagen 115 Prozent mehr Lohn. Für eine Verlängerung der Arbeitszeit braucht es eigentlich auch das Einverständnis der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Doch die griechischen Gewerkschaften befürchten, dass das neue Gesetz auf dem Buckel der Arbeiterinnen und Arbeiter umgesetzt wird. Denn wer die längeren Arbeitszeiten nicht akzeptieren will, riskiert seinen Job. Für die Gewerkschaft Pame ist das Gesetz «lediglich ein weiterer Baustein der wachsenden Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern im ganzen EU-Raum». Die Liberalisierung diene nur der Erhöhung der Profitmargen von Grosskonzernen. Das neue Gesetz erlaubt auch Kündigungen ohne jegliche Kompensation im ersten Anstellungsjahr und Bussen für Streikende. Am Tag bevor das Gesetz verabschiedet wurde, kam es zu Protesten, und Arbeiterinnen und Arbeiter in öffentlichen Betrieben organisierten einen Warnstreik. Pame kündigt weiteren Widerstand an und plant am 3. Juli einen Protest vor dem Arbeitsministerium in Athen. 

Zuspitzung des Fachkräftemangels

Auch Arbeitsmarktexperten sind skeptisch, ob mit dem neuen Gesetz der Fachkräftemangel tatsächlich behoben werden könne. Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen könnte eher zu einem weiteren Exodus der jungen Generation führen, sagt Daniel Kopp von der ETH-Konjunkturforschungsstelle gegenüber SRF. Seit der grossen Wirtschaftskrise ab dem Jahr 2013 haben bereits Hunderttausende junge Griechinnen und Griechen das Land verlassen. Ganz anders fällt die Reaktion dagegen von Kapitalvertretern aus dem Ausland aus. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) etwa lobte den Entscheid der griechischen Regierung und sieht die 6-Tage-Woche als Grundlage für ein neues «Wirtschaftswunder» in Deutschland. Deutschland müsse wieder mehr arbeiten, statt über die 4-Tage-Woche zu diskutieren.

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