worktag – die Velomechanikerin
«Das ist doch schnell gemacht», hört sie nicht gern

Komplexe Teile auseinanderbauen und dafür sorgen, dass sie wieder rundlaufen: Das liebt Velomechanikerin Debora Burri an ihrem Beruf. Mehr Verständnis wünscht sie sich für die viele Arbeit, die in einem Veloservice steckt. 

EXPERTIN: Debora Burri sagt, dass die Arbeit einer Velomechanikerin oft unterschätzt werde. (Foto: Yoshiko Kusano)

Als Jugendliche hatte Debora Burri lange keinen konkreten Berufswunsch. Klar war nur: Etwas Handwerkliches sollte es sein. Auf die Idee, Fahrradmechanikerin zu werden, brachte sie schliesslich eine Schulfreundin. «Auf dem Schulweg ging ihr Velo kaputt, und ich bot ihr an, es zu flicken», erzählt Debora Burri. «Weil mein Vater einige Zeit als Fahrradmechaniker gearbeitet hatte, hatten wir zu Hause eine gut eingerichtete Werkstatt.» Die Schulfreundin meinte, sie solle doch mal in diesem Beruf eine Schnupperlehre machen. Nach drei Tagen Schnuppern stand der Berufswunsch felsenfest. Bereut hat es die 22jährige bis heute nicht. «Ich mag das Feinmotorische sehr und die Vielseitigkeit.» Neben der Arbeit an Fahrrädern sei der Kontakt zur Kundschaft ein wesentlicher Teil, und auch Computerarbeit gehöre hin und wieder dazu. Zudem erzählt sie:

Wir machen mit jedem Fahrrad eine Probefahrt, bevor es zurück an die Kundin oder den Kunden geht. Alle 60 bis 90 Minuten drehe ich darum draussen eine Runde. Das ist eine schöne Abwechslung.

Und ja, bei schönem Wetter könne die Fahrt auch mal ein bisschen länger dauern, gesteht sie und lacht.

Chefin von vier Männern

Montagmorgen. Debora Burri sitzt im Pausenraum des Veloplus-Ladens in Ostermundigen. Hier gibt es einen Holztisch, eine Mikrowelle, eine Kochnische und einen Kühlschrank. An der Wand im Flur hängt ein Rad, inszeniert wie ein Kunstwerk – was es für Fahrradfans auch ist. «Dieses Rad ist nicht mehr reparierbar, aber es ist einfach zu schön, um es wegzuwerfen», sagt Debora Burri. Die Leidenschaft für Zweiräder hat sich im Verlauf ihrer Ausbildung entwickelt und ist stetig gewachsen. Seit rund einem Jahr arbeitet Burri bei Veloplus. Und seit Februar 2024 ist sie Werkstattleiterin eines Teams von vier Männern – die meisten deutlich älter als sie. Ein Thema oder gar ein Problem innerhalb des Teams sei das aber nicht. «Die meisten sind froh, dass sie den Job nicht selbst machen müssen», sagt Debora Burri und lacht. Dass sie in einer typischen Männerdomäne arbeite, sei kein grosses Thema. Nur am Telefon sei es schon vorgekommen, dass Kunden mit einem Velomechaniker verbunden werden wollten, weil sie Debora Burri für die Büroangestellte hielten. «Nachdem ich das Missverständnis jeweils aufgeklärt hatte, gab es aber nie Probleme.»

Als Werkstattleiterin nimmt Debora Burri die Aufträge entgegen und verteilt sie an ihre Mitarbeiter. Zudem gibt sie Bestellungen auf, beantwortet Mails und ist Ansprechperson für den Kundendienst. «Ich bin mehr am Koordinieren als am Schrauben, dafür habe ich als Clinicleitung viel mehr Kundenkontakt als vorher», sagt Burri. Clinicleitung? Die Bernerin lacht. «Bei Veloplus nennen wir unsere Werkstätten Clinicen. Deshalb tragen wir auch grüne T-Shirts, wie im Operationssaal.»

Kontrolle nach Vieraugenprinzip

Komme eine Kundin oder ein Kunde in die Werkstatt, werde der Auftrag gemeinsam besprochen und ein Kostendach vereinbart. «Danach kommt das Fahrrad in die Werkstatt zum Mech. Ist er fertig, macht er die Probefahrt und gibt das Velo dann einem Teammitglied, das im Sinne des Vieraugenprinzips die Reparatur kontrolliert. Erst danach geht das Rad zurück an die Kundschaft.» Zu Debora Burris Lieblingsaufgaben beim Veloservice gehört, ein komplexes System auseinanderzunehmen, alle Einzelteile zu putzen, die Dichtungen zu ersetzen und alles wieder zusammenzubauen, «zum Beispiel einen Federgabeldämpferservice oder die Revision einer Getriebenabe». Fragen der Kundschaft zu beantworten und Tipps zum Unterhalt des Velos zu geben mag sie ebenfalls. «So kann ich etwas von meinem Beruf weitergeben.» Viele könnten den Aufwand, den so ein Service mit sich bringe, nicht einschätzen. «Das ist doch schnell gemacht», heisst es dann. Dass bei einem Service aber jede einzelne Schraube kontrolliert werde inklusive Waschen und allfälliger Reparaturen, wüssten viele nicht. Überhaupt werde ihre Arbeit oft unterschätzt. «Es gibt Leute, die kaum glauben können, dass unserem Beruf eine dreijährige Lehre zugrunde liegt.» Dabei werde immer wieder diskutiert, die Lehre auf vier Jahre auszuweiten, weil etwa die Wartung und Reparatur der boomenden E-Bikes in der jetzigen Ausbildung eher zu kurz komme.

Ihren genauen Lohn will Debora Burri lieber nicht verraten. Nur so viel: Die Lohnempfehlung des Berufsverbands 2rad Schweiz für Fahrradmechanikerinnen und -mechaniker mit einer Berufserfahrung von bis zu 5 Jahren liegt bei 4500 bis 5000 Franken brutto, für Werkstattleitende sind es 5500 bis 6000 Franken. Ihr Lohn liege zurzeit noch innerhalb der Spanne für Fahrradmechanikerinnen ohne Leitungsfunktion. «Ich bekomme aber zusätzlich einen Verantwortungszuschlag», sagt Debora Burri. «Mein Job ist eine Art Mischform. Wegen der Grösse von Veloplus sind die Leitungsaufgaben auf mehrere Personen verteilt.»

«Die meisten Fahrradmechaniker und -mechanikerinnen sind auch privat Velofans», sagt Debora Burri. Sie selbst mag am Fahrrad die Unabhängigkeit, die es einem beschert. Sie besitzt ein Alltagsvelo, um von A nach B zu kommen, und ein Rennvelo, mit dem sie regelmässig ausgedehnte Radtouren unternimmt. «Meine Eltern staunen, dass ich heute so oft mit dem Rennrad unterwegs bin», sagt Debora Burri zum Schluss. Und fügt lachend hinzu: «Als Kleinkind bin ich mit den Stützrädern oft umgefallen, weil ich nicht richtig in die Kurven fahren konnte. Damit ziehen sie mich heute noch auf.»

Debora Burri mag Sport und Musik

Zwei bis drei Stunden ist Debora Burri jeweils unterwegs, wenn sie in der Freizeit mit ihrem Rennvelo unterwegs ist. «Ich bin gerne in der Natur und brauche die Bewegung, um den Kopf durchzulüften», sagt die 22jährige, die in einer WG in Ostermundigen BE wohnt. Ist sie nicht mit dem Rad unterwegs, dann liest sie gerne, spielt die Zither und ist als Jungscharleiterin aktiv.

An ihrem Beruf schätzt Debora Burri den Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden. «Wir sind fast wie eine Familie, weil wir nicht nur den Job, sondern auch die Leidenschaft teilen.» Für ihren Beruf wünscht sie sich, dass das Nachwuchsproblem bald gelöst wird. «Wie in vielen handwerklichen Berufen gibt es auch bei uns zu wenig ausgebildete Fachkräfte. Ich wünsche mir, dass sich wieder mehr junge Leute für diesen schönen und vielseitigen Job begeistern können.»

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