Micarna plant Mega-Schlachthof in Saint-Aubin FR
Geflüchtete chrampfen fürs Güggeli

Der Migros-Fleischverarbeiter Micarna will seinen Geflügelschlachthof aus Courtepin FR nach Saint-Aubin FR verlagern. Auf einer Fläche von mehr als zehn Fussballfeldern soll ein neuer Mega-Schlachthof mit 500 Mitarbeitenden entstehen. Doch es gibt Widerstände und Probleme. 

MASSENABFERTIGUNG: Micarna plant einen neuen Geflügelschlachthof. (Symbolbild: Keystone)

Die Arbeit von Tadesse Debash* (25) beginnt um 17 Uhr, wenn fertig geschlachtet ist. Seit mehreren Jahren arbeitet er in Courtepin FR in der Fleischfabrik von Micarna im Reinigungsteam. In Courtepin werden Rinder, Hühner und Schweine geschlachtet, das Fleisch verarbeitet und für die Migros-Supermärkte verpackt. Tadesse sagt:

Die Arbeit ist hart, denn wir müssen alles saubermachen, die Maschinen, die Böden und auch die Kühlräume, wo es eiskalt ist. Mit dem Hochdruckreiniger und heissem Wasser putzen wir das Blut und die Fettrückstände weg.

Die Micarna, der Fleischindustriebetrieb der Migros, beschäftigt in Courtepin in der Nähe von Freiburg etwa 1600 Mitarbeitende. Debash arbeitet dort mit starken Chemikalien. Er sagt: «Obwohl ich Schutzbrille und Maske trage, merke ich, dass sich meine Haut im Gesicht wegen der säurehaltigen Putzmittel stellenweise auflöst.» 

Flüchtling im Schlachthof

Auch Ahmed Aden* (27) hat in Courtepin bei Micarna gearbeitet. 2017 flüchtete Aden aus Somalia in die Schweiz. Zu Beginn sah er die Arbeit im Schlachthof als Chance. Micarna bot im Rahmen des Programms «Maflü – Micarna Ausbildung Flüchtlinge»

Schnupperpraktika, Berufslehren und Berufspraktika mit der Möglichkeit auf eine Festanstellung für ungelerntes Personal an. Die kantonale Kommission für die Integration der Migrantinnen und Migranten und für Rassismusprävention (KMR) hat der Micarna AG Courtepin für dieses Projekt 2017 ihren Preis «Migration und Arbeit» verliehen.

KURZZEITIG BESETZT: Tierrechtsaktivisten haben letzte Woche beim Micarna-Schlachthof in Courtepin demonstriert, das Bild zeigt einen Aktivisten auf dem Dach der Anlage. (Foto: Keystone)

Aden begann mit einem temporären Arbeitsvertrag bei Micarna und wurde bald fest angestellt – zu einem Lohn von 4200 Franken brutto pro Monat. Er arbeitete mit verschiedenen Maschinen im Schlachtprozess und auch im Gefrierraum bei minus 30 Grad. Doch nach drei Jahren litt Aden unter starken Rückenschmerzen, auch nachts im Bett. Seine Morgenschicht, die um 5 Uhr in der Früh begann, wurde zur Qual. Nach einigen Monaten mit Schmerzmitteln wurde er von seinem Arzt krank geschrieben und während eines halben Jahres von der Arbeit dispensiert. Zu lange für Micarna: Aden wurde entlassen.

Geplanter Umzug des Schlachthofs

Jedes Jahr werden bei Micarna in Courtepin 30 Millionen Hühner geschlachtet, fast 100 000 pro Tag. Doch der Geflügelschlachthof von Courtepin ist in die Jahre gekommen und soll nach Saint-Aubin FR verlagert werden. Dort betreibt der Kanton Freiburg den landwirtschaftlichen Innovationspark «Swiss Campus for Agri and Food Innovation». Micarna hat für 21 Millionen Franken einen Drittel des Geländes gekauft und will einen hochmodernen Geflügelschlachthof bauen, der 2028 in Betrieb gehen soll.

Fliessband verleiht Macht

Die erste Fliessbandfabrik entstand in den 1860er Jahren in den industriellen Schlachthöfen von Chicago, USA. Das Fliessband ermöglichte die massive Beschleunigung des Schlachtprozesses und eine hochgradige Arbeitsteilung. Gleichzeitig verlieh das Fliessband den Beschäftigten auch deutlich mehr kollektive Handlungsmacht. Wenn die Produktionskette durch Streiks unterbrochen wurde, entstanden wegen der Verderblichkeit des Fleisches sofort sehr hohe Kosten.

Doch es gibt Widerstände aus der Bevölkerung und von der Umweltorganisation Greenpeace. Für Greenpeace hat der Bau eines Schlachthofs nichts mit Innovation zu tun. Klima, Biodiversität und Umwelt würden durch das Projekt zu stark belastet. Auch einige Anwohnerinnen haben sich im Verein EcoTransition – La Broye zusammengeschlossen. Sie befürchten einen starken Anstieg des Verkehrs und des Wasserverbrauchs und wehren sich vor Gericht gegen den Schlachthof. Alaric Kohler ist Co-Präsident des Vereins und lebt seit 17 Jahren in Saint-Aubin. Als Gewerkschaftsmitglied kritisiert er auch die Arbeitsbedingungen im Schlachtbetrieb. Die Arbeit sei schlecht bezahlt und führe oft zu psychischen Problemen. Kohler sagt:

Der neue Schlachthof ist weder nachhaltig, noch werden die Menschen aus der Region hier arbeiten.

Micarna werde voraussichtlich auch Grenzgänger aus Frankreich suchen für die unbeliebte Arbeit. Micarna wollte sich nicht zur Herkunft der zukünftigen Mitarbeitenden in Saint-Aubin äussern.

Vorwürfe statt Wertschätzung

Auch Unia-Mitglied Debash möchte den Umzug nach Saint-Aubin nicht mehr mitmachen. Denn für seine Arbeit verdiene er zu wenig, es gebe zu viel Stress und kaum Wertschätzung. Er sagt: «Als ich einen Arbeitsunfall hatte, wurde ich nicht gefragt, wie es mir geht, sondern es gab nur Vorwürfe von meinem Chef.» Und auch auf seinen Wunsch nach einer Weiterbildung wurde bisher nicht eingegangen. In seinem Team gebe es niemanden, der hier geboren wurde, sie seien alles Migrantinnen und Migranten. Debash sagt: «Wir sind keine Roboter, und als Menschen haben wir unsere Schwächen, aber man will uns nicht als Menschen sehen.» Nachts um zwei ist der Schlachthof in Courtepin blitzblank geputzt, und Debash steigt in sein Auto, um nach Hause zu fahren. Drei Stunden später werden bereits wieder die ersten Tiere angeliefert. Ein neuer Arbeitstag im Schlachthof beginnt.

Pouletkonsum und Vegetarismus in der Schweiz

In der Schweiz werden jährlich über 70 Millionen Hühner geschlachtet, und etwa die Hälfte des Pouletfleisches wird zusätzlich importiert. 2023 wurden im Durchschnitt fast 15 Kilo Pouletfleisch pro Kopf konsumiert, leicht weniger als im Vorjahr. In den Jahren zuvor hatte der Konsum von Pouletfleisch stetig zugenommen. Von den 9 Millionen Menschen in der Schweiz ernähren sich heute etwa 300 000 Personen vegan oder vegetarisch, was drei Prozent der Bevölkerung entspricht.

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