1x1 der Wirtschaft
Gelernte haben mehr verdient

Ob Bäckerin, Pflegerin, Kita-Betreuer, Feinmechanikerin, Maurer oder ICT-Fachfrau: Ohne die zahlreichen Berufsleute geht in der Schweiz nichts. Sie verrichten unerlässliche Arbeit, sind dank der Lehre gut ausgebildet und bringen oft einen breiten Erfahrungsschatz mit. Trotzdem verdienen viele von ihnen schlecht. Jede und jeder dritte Beschäftigte mit Lehre arbeitet für einen Lohn unter 5000 Franken (umgerechnet auf eine 40-Stunden-Woche, 13-mal im Jahr ausbezahlt). Bei den Frauen arbeitet sogar fast jede zweite für einen Tieflohn. Es sind häufig Branchen mit einem hohen Frauenanteil wie der Detailhandel, das Gastgewerbe, die Pflege oder die Kinderbetreuung, die schlecht bezahlen. Aber auch viele Männer mit Lehre verdienen wenig. So können die Löhne auch in Branchen, wo viele Männer arbeiten, wie bei Metzgereien, in der Logistik oder im Autogewerbe tief sein. 

Tieflohn trotz Erfahrung

Die Lohnprobleme beschränken sich längst nicht nur auf die Lehrabgängerinnen. Für viele Gelernte steigen die Löhne selbst mit jahrelanger Erfahrung kaum. Noch kurz vor der Pensionierung verdient ein Viertel aller Gelernten einen Lohn unter 5000 Franken. Diese Lohnrealität straft all die Sonntagsreden über die Schweizer Berufsbildung Lügen. Die duale Berufsbildung bringt zwar fähige Arbeitskräfte hervor. Das Versprechen, dank der Lehre ein sicheres Einkommen zu erzielen, klingt für die Berufsleute mit tiefem Lohn aber nur hohl. Mit 5000 Franken kann man in der Schweiz bloss mit grossen Einschränkungen leben. Selbst Alleinstehenden bleibt nach Krankenkasse, Miete und Deckung des Grundbedarfs nur wenig übrig. Für eine Familie ist ein angemessenes Leben mit den kleinen Freiheiten und ohne finanzielle Sorgen schlicht nicht möglich.

Mehr Wertschätzung

Löhne unter 5000 Franken für Gelernte müssen der Vergangenheit angehören. Es braucht deshalb höhere Löhne in Gesamtverträgen (GAV). Wo noch keine oder nur vereinzelt GAV existieren wie in der Pflege, im Gartenbau, bei den Kitas oder bei den Apotheken müssen neue her. Allein werden aber keine bessern GAV abgeschlossen. Die Beschäftigten müssen zusammenstehen und mit ihrer Gewerkschaft mehr Wertschätzung einfordern. Erst wenn der Druck steigt, werden die Arbeitgeber nicht mehr ihre Macht ausnutzen und die Löhne tief halten können. 

David Gallusser ist Ökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.