Automatiker Yunus Ruff entwickelt die Maschinen der Zukunft
«Heute programmieren, morgen in Betrieb nehmen»

Yunus Ruff (24) arbeitet als Automatiker für den Elektrofahrzeughersteller Kyburz. Der überzeugte Unia-Gewerkschafter tüftelt an neuen Maschinen, um Lithiumbatterien umweltschonend und effizient zu recyceln. 

Das Zürcher Tösstal ist geprägt von einer langen Industriegeschichte, die bis heute sichtbar ist und in der Gemeinde Freienstein auch noch fortgeschrieben wird. In der ehemaligen Spinnerei des Dorfes haben nicht nur Loftbewohnerinnen und ein Kulturkino ein neues Zuhause gefunden. Auch die Schweizer Firma Kyburz hat hier ihren Hauptsitz und produziert in den historischen Fabrikhallen seit über dreissig Jahren Elektrofahrzeuge. 

MIT DEM DREIRAD UNTERWEGS. Yunus ist auf der Strasse unschwer zu erkennen. (Foto: Raja Läubli)

Yunus Ruff fährt mit seinem dreirädrigen Kyburz-Elektrogefährt zweimal pro Woche von Winterthur zu seinem Arbeitsort in Freienstein. Hier arbeitet er an der Entwicklung von Maschinen, die Kyburz für das Recycling der Batterien braucht. Insgesamt arbeiten für Kyburz rund 170 Personen, und seit der Gründung hat das KMU über 25 000 Elektrofahrzeuge verkauft. Die ersten Fahrzeuge baute die Firma für Gehbehinderte, heute ist der grösste Abnehmer die Schweizerische Post. Sie nutzt die dreirädrigen Gefährte zur Verteilung der Briefpost. Auch auf der anderen Seite der Welt kurven die Kyburz-Gefährte durch die Strassen: für die australische Post.

Pioniere des Batterie-Recyclings

Yunus Ruff sagt: «Wir sind nicht nur ein Pionierbetrieb für Elektrofahrzeuge, wir sind heute auch ganz vorne dabei beim Recycling der Batterien», und führt durch die Fabrikhalle. Im hinteren Teil der Halle spielen Mitarbeitende in der Mittagspause Tischfussball. Ruff zeigt auf eine blaue Maschine mit einem Glaskasten und vier Eingängen mit integrierten Gummihandschuhen. Hier werden die Lithium-Ionen-Batterien demontiert und für das weitere Recycling im Labor aufbereitet. «Wir haben herausgefunden, dass wir Lithium, Graphit und Kupfer mit reinem Wasser voneinander trennen können. Das ist zwar arbeitsintensiv, aber die Qualität der resultierenden Materialien ist viel besser», sagt Ruff. Viele andere Recyclingbetriebe würden die Batterien verbrennen oder schreddern und dabei wertvolle Rohstoffe vernichten. Es gebe auch sehr viel Greenwashing in der Branche. Ruff sagt:

Ab dem Jahr 2030 kommen weltweit richtig viele Elektrobatterien an das Ende ihres Lebenszyklus.

Kyburz wolle deshalb in den industriellen Maschinenbau einsteigen und andere Recyclingstandorte dieser Welt mit seinen Maschinen beliefern und ausrüsten. Das Ziel sei die Industrialisierung des Recyclings und die konsequente Wiederverwertung der gebrauchten Batterien. 

Liebe für Knöpfe

Seine Arbeit als Automatiker bei Kyburz hat Ruff gleich nach der Lehre begonnen. Inzwischen ist er seit vier Jahren dabei:

Meine Arbeit hier ist extrem vielfältig. Vor vier Monaten habe ich noch ein IT-System programmiert, jetzt entwickle ich eine ganz neue Maschine.

In der Werkstatt verdrahtet und testet er das neue Gerät, bis es betriebsbereit ist. «Schon als Kind habe ich sehr gerne auf Knöpfe gedrückt, und als Jugendlicher habe ich auch viele Games gespielt.» Eigentlich wollte er dann eine Lehre als Informatiker machen, sagt Ruff. Doch seine Noten in Mathematik seien nicht gut genug gewesen. Im zehnten Schuljahr habe er einen super Lehrer gehabt, der ihn in Elektronik, Informatik und Automation unterrichtete. Dank ihm hat er die Lehrstelle an der Mechatronik-Schule Winterthur gefunden. «Das war ein Glücksfall, denn ich konnte so eine extrem breite technische Ausbildung absolvieren, dank der ich jetzt sowohl über Mechanik, Programmierung und Elektronik Bescheid weiss.»

EIN WAHRER PROFI. Yunus ist richtig gut in seiner Arbeit. (Foto: Raja Läubli)

Seine beruflichen Fähigkeiten haben Ruff dann auch an die «Swiss Skills» und dank dem Schweizermeistertitel als Automatiker der Disziplin «Industrie 4.0» an die «World Skills» gebracht. In Stuttgart konnte er zusammen mit seinem Teamkollegen Silvan Wiedmer, der inzwischen auch bei Kyburz arbeitet, sogar den Weltmeistertitel holen (work berichtete).

Studium und Unia-Mitgliedschaft

Im Moment absolviert Ruff ein berufsbegleitendes Studium zum Wirtschaftsingenieur. Da lerne er noch viel mehr über die Digitalisierung und die Optimierung von industriellen Prozessen mittels Datenanalyse. Vor wenigen Wochen war Ruff auch erstmals als Industriedelegierter der Region Zürich an einer Unia-Konferenz des Industriesektors. «Seit ich bei Kyburz arbeite, bin ich auch Unia-Mitglied», sagt Ruff. Das sei wichtig, denn bei Kyburz gebe es keinen GAV. Ruff findet, dass die historischen Errungenschaften der Gewerkschaften auch in den Schulen mehr zum Thema gemacht werden sollten. Seine Mitschülerinnen und Mitschüler hätten sich nicht für Politik interessiert, aber mit seinem Vater habe er viel über Politik gesprochen. Als Mitglied einer türkischen Arbeiterpartei flüchtete dieser in den achtziger Jahren in die Schweiz und lernte hier die Mutter von Yunus kennen. 

YUNUS RUFF

AUF NACH KASACHSTAN!

Yunus Ruff ist mit seinen Eltern in Winterthur aufgewachsen und vor kurzem in ein Wohnheim für Studierende eingezogen. Dort lebt der 24-jährige Wirtschaftsingenieur-Student zusammen mit 34 anderen jungen Menschen, die sich gerne auf der Terrasse treffen und miteinander essen und trinken. 

UNDERGROUND-ROCK

In seiner Freizeit spielt Ruff Akkordeon, oder er liest politische Sachbücher. In seinen Sommerferien reist Yunus Ruff nach Kasachstan und trifft dort seine Freundin, die er vor zwei Jahren in der Türkei kennengelernt hat. In Kasachstan wird er auch einen Russischkurs besuchen, um so die Texte der sowjetischen Underground-Rockband, die er gelegentlich hört, noch besser zu verstehen.  

Unser Video-Interview mit Yunus:

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.