Zementriese schliesst Traditionsstandort
Holcim macht Holderbank dicht

Holcim verlässt seinen geschichtsträchtigen Standort in Holderbank AG, 200 Mitarbeitende müssen neu in Zug arbeiten. In Holderbank begann vor über hundert Jahren der Aufstieg des heute weltweit grössten Zement- und Betonkonzerns. Eine Geschichte mit vielen Altlasten. 

NACH 114 JAHREN: Holcim gibt seinen Standort in Holderbank auf. (Foto: aufgenommen im August 1987/keystone)

Im Jahr 2026 macht Holcim Schluss mit dem Standort in Holderbank AG. Die dort ansässigen Abteilungen Innovation und Marketing mit 200 Mitarbeitenden werden dann in die Konzernzentrale in den Tiefsteuerkanton Zug verschoben. Auch die Senkung der Unternehmenssteuern im Kanton Aargau konnte diesen Schritt nicht mehr verhindern. Holcim verlässt auch ein wichtiges Stück Firmengeschichte. Denn Holderbank war Ursprungsort und während Jahrzehnten auch Namensgeber des mächtigen Schweizer Zementkonzerns. Nur noch der Kalksteinbruch, der inzwischen ein Naturschutzgebiet ist, wird dereinst an die Ursprünge der Schweizer Zementdynastie erinnern. 

Schmidheinys Erbe 

1914 fusionierte die Zementfabrik Holderbank mit der Rheintalischen Cementfabrik Rüti von Ernst Schmidheiny. Der Sohn eines Ziegelfabrikanten stieg mit dem von ihm mitgegründeten Schweizer Zementkartell zu einem der mächtigsten Industriellen der Schweiz auf. Während des Ersten Weltkriegs war er nicht nur Mitbesitzer der Holderbank, er war auch Oberstleutnant, FDP-Nationalrat und Leiter des Kompensationsbüros, das neutralitätspolitisch heikle Tauschgeschäfte zwischen der Schweiz und Deutschland organisierte. Nach Kriegsende 1918 erwarb Schmidheiny die Aktienmehrheit an der Eternit AG in Niederurnen, baute mittels weiterer Kartellabsprachen die internationale Zement- und Eternitproduktion aus und expandierte mit der Holderbank Cement und Beton (HCB) bis nach Ägypten. 

Altlast Asbest 

Dort starb der umtriebige Unternehmer bei einem Flugzeugabsturz in der Sinaiwüste, und seine beiden Söhne Max und Ernst übernahmen die ebenso florierenden wie auch toxischen Geschäfte. Die hochgiftigen Asbestfasern sind bis heute Gegenstand von Gerichtsverhandlungen und Urteilssprüchen wie zuletzt gegen den Milliardär Stephan Schmidheiny. Dessen Bruder Thomas Schimdheiny wiederum ist Holcim-Grossaktionär. Er war von 1978 bis 2001 Geschäftsführer der Holderbank und expandierte mit dem Zukauf und Aufbau von Fabriken in Osteuropa, China, Indien und Südostasien. In einem letzten Akt als Geschäftsführer liess Thomas Schmidheiny den Namen des Konzerns von Holderbank, was viele mit einer Bank verwechselten, zu Holcim ändern. Die Fusion mit der französischen Konkurrentin Lafarge im Jahr 2014 katapultierte den Konzern definitiv an die Spitze der weltweiten Beton- und Zementindustrie. Der Konzern mit heute weltweit über 100 000 Mitarbeitenden steht immer wieder wegen der klimaschädlichen Zementproduktion in der Kritik. Und im Jahr 2022 musste Holcim wegen Schutzzahlungen an die Terrororganisation Islamischer Staat eine Busse von 780 Millionen Dollar zahlen.

HOLDERBANK WIRD HOLCIM: Als der Zementkonzern Holderbank 2001 seinen Firmennamen in Holcim änderte, posierte der damalige Gemeindepräsident, Simon Läuchli, als Gag mit einem Ortsschild. (Foto: keystone)

Klimaklage gegen Holcim verzögert

Im Februar 2023  haben vier Bewohnerinnen und Bewohner der indonesischen Insel Pari Klage gegen Holcim eingereicht. Sie fordern, dass der Zementkonzern seine CO2-Emissionen rasch reduziert und eine Entschädigung für bereits verursachte Klimaschäden zahlt. Auf Antrag von Holcim wird am Kantonsgericht Zug derzeit die Frage geklärt, ob das Gericht überhaupt für die Klage zuständig ist. Die Entwicklungsorganisation Heks schreibt, dass sich die gerichtliche Beurteilung des Falles dadurch möglicherweise um mehrere Jahre verzögert. 

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