Horror-Gerüstunfall bei Lausanne
Hunderte gedenken der toten Baubüezer

Fünf Tage nach dem schrecklichen Gerüsteinsturz in Prilly VD sind die Ursachen des Dramas immer noch unbekannt. An der Gedenkfeier für die Opfer nahm auch Unia-Mann Pietro Carobbio teil. Er sagt, was Baustellen zu Hochrisikozonen macht.

Nach dem Schock folgt die Besinnung. Mehrere Hundert Personen versammelten sich am 15. Juli in Prilly VD zu einer hochemotionalen Gedenkfeier. Diese fand direkt am Ort des tragischen Baustellenunfalls von letzter Woche statt. Zur Erinnerung: Am Vormittag des 12. Juli stürzte am Hochhaus Malley Phare ein riesiges Fassadengerüst ein. Drei Arbeiter im Alter von 30 bis 43 Jahren starben unter den Trümmern. Acht weitere Arbeiter wurden verletzt, vier davon schwer. Sofort an den Ort des Geschehens begab sich auch Pietro Carobbio, Leiter des Bausektors der Unia Waadt. Auch an der Gedenkfeier nahm er teil – zusammen mit zahlreichen Arbeiterinnen und Arbeitern. Er sagt: «Ich bin noch immer schockiert. Und damit bin ich nicht alleine. Von den umliegenden Baustellen kamen alle Arbeiter an die Gedenkfeier.»

Zu den genauen Unfallursachen könne er sich noch nicht äussern, da die Untersuchung noch laufe. Aber generell gebe es diverse Faktoren, die eine Baustelle zur Hochrisikozone machen könnten. Ganz oben auf der Liste stünden Zeitdruck, Preiskampf und mangelnde Ausbildung des Personals. Und dann sei da noch die Sache mit den Konventionalstrafen für nicht termingerechte Bauabschlüsse: «Sehr häufig liegt die Unfallursache in den engen Fristen, die den Baufirmen von den Bauherren aufgebrummt werden.»

Weniger, aber schwerere Unfälle

Zwar sei die Zahl der Bauunfälle in den letzten Jahren leicht zurückgegangen, doch die Schwere der Unfälle habe zugenommen. «Der Grund dafür liegt in der Grösse der Bauwerke und den neuen Technologien», erklärt Carobbio. Die zunehmende Mechanisierung sei zwar grundsätzlich positiv, weil sie die Arbeitslast verringere. Doch wenn etwas schiefgehe, steige auch die Gefahr: «Von einer Maschine oder sehr schweren Schalungsplatten zerquetscht zu werden hat natürlich schlimmere Folgen als ein Unfall, bei dem bloss Pickel oder Schaufel involviert sind.»

Alle zwei Wochen ein Bau-Toter!

Unia-Mann Pietro Carobbio. (Foto: Thierry Porchet)

Unabhängig von den Ergebnissen der laufenden Untersuchung fordert die Unia in jedem Fall eine Nulltoleranz-Politik in Bezug auf Arbeitsunfälle. «Es darf nicht sein, dass Menschen bei der blossen Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit zu Tode kommen», stellt Gewerkschafter Carobbio klar. Die Realität ist aber folgende: Noch immer verunfallt Jahr für Jahr etwa jeder sechste Bauarbeiter. Und im Schnitt stirbt in der Schweiz alle zwei Wochen ein Bauarbeiter bei einem Arbeitsunfall. Die Unia fordert daher eine massive Erhöhung der Mittel für die Unfallverhütung und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Dazu gehören auch mehr Kontrollen vor Ort.

Suva als Bauherrin

Der Malley Phare (frz. für Leuchtturm) wurde auf dem Gelände des Einkaufszentrums Malley Lumières errichtet und ist der erste Turm in Holzbauweise in der Westschweiz. Er ist 60 Meter hoch, hat 14 Stockwerke und bald 96 bezugsfertige Wohnungen. Dereinst soll er als energiepolitisches und sozio-kulturelles Vorbild dienen. Pikant: Bauherrin des Malley Phare ist die Suva, die führende Spezialistin in Sachen Unfallprävention.

*Dieser Artikel erschien zuerst in der französischsprachigen Unia-Zeitung «L’Evénement Syndical» und erscheint hier in einer leicht abgeänderten Version.

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